217 Seiten stark ist der Kontrallamtsbericht zur sog. “Linzer Aktenaffäre”, der erschreckende Zahlen liefert. Zwischen 2010 und 2017 wurde von 23.363 Anzeigen fast ein Viertel (23%) wegen Verjährung eingestellt. Der eingesetzte Kontrollausschuss konnte sich nun ein erstes Bild vom Inhalt machen. Ausschuss-Vorsitzender Felix Eypeltauer (NEOS) über die Inhalte und daraus gewonnene Erkenntnisse.
Felix Eypeltauer – wie sieht Ihr erstes Bild zum eben präsentierten Kontrollamtsbericht aus?
Wir haben uns zwar einen ersten Überblick verschafft, aber es gibt noch sehr viele Fragen zu stellen und Antworten zu finden – vor allem von der geschäftsführenden Vizebürgermeisterin Karin Hörzing, da Bürgermeister Luger in der Causa bekanntlich befangen ist.
Es gibt bereits eine Stellungnahme aus dem Bürgermeisterbüro zum Kontrollamtsbericht. So heißt es u.a. “Das objektive Kontrollamt entlastet die Politik und würdigt die Korrekturmaßnahmen…” – ist das aus Ihrer Sicht auch so?
Natürlich ist klar, dass die Verfehlungen auf Verwaltungsebene stattgefunden haben. Aber nur, weil auf Verwaltungsebene Fehler gemacht werden, entlastet das den Bürgermeister nicht automatisch. Es gibt so etwas wie eine Verantwortungskultur – und der Vorstand des Magistrats ist nun mal der Bürgermeister. Am Ende des Tages ist natürlich er dafür verantwortlich, was unter seiner Führung passiert. Ob und wie weit er sich da massive Verfehlungen zu Schulden hat kommen lassen – das müssen wir jetzt aufklären. Von einer Entlastung zu sprechen ist genauso falsch wie eine Vorverurteilung.
Dem Kontrollausschuss wird vorgeworfen, er hätte “Misstrauen” gegenüber den handelnden Personen.
Da sage ich: Natürlich misstrauen wir, denn wenn eine Stadtregierung, die 2015 erfährt, was Sache ist, keine Maßnahmen setzt oder Reformen einleitet, kann man nur misstrauen und nachfragen. Es geht jetzt aber in allererster Linie darum, sicherzustellen, dass diese vielen Verjährungen von Akten und Anzeigen endlich aufhören.
Stark in der Kritik ist die betroffene Magistratsabteilung.
Wenn man mit ehemaligen, aber auch aktiven Magistratsbediensteten spricht, gibt es sehr viele hartknäckige Gerüchte, dass die Abteilung Verwaltungsstrafen seit vielen Jahren ein ‘Sauhaufen’ sein soll. Ich bin klarerweise kein großer Freund von Gerüchten, aber wenn diese Stimmen selbst zu mir als kleinem Gemeinderat von mehreren Seiten durchdringen, dass dort seit Jahren einiges schief läuft und unzählige Strafen verjähren, kann ich mir nicht vorstellen, dass diese Informationen den Bürgermeister, der selbst lange Personalreferent war, nicht erreichen. Das schaut alles nicht unbedingt danach aus, als hätte die Politik überhaupt nichts damit zu tun.
Steht die Qualität des Kontrollamtsberichts bzw. Objektivität des Linzer Kontrollamts mit einem Luger-Vertrauten an der Spitze für Sie zur Debatte?
Da gibt es für mich keine Kritik, die Berichte sind stets exzellent. Auch die Unabhängigkeit stelle ich nicht infrage. Der Kontrollamtsdirektor wird natürlich von einer Mehrheit im Gemeinderat bestellt, er steht für mich aber fernab jeder Kritik.
Ist der Bericht für Sie zufriedenstellend, zu zahnlos oder vielleicht sogar zu scharf?
Es steht dem Kontrollamt nicht an, politische Schlüsse zu ziehen. Es muss vielmehr den Spagat schaffen, sachlich zu informieren, aber auch Missstände offen anzusprechen. Insofern finde ich den Bericht durchaus in Ordnung. Zu kritisieren sind in der Aktenaffäre viele, aber sicher nicht das Kontrollamt.
Es heißt, dass noch viele weitere Verjährungen drohen. Kann man da eine Zahl nennen?
Nein noch nicht. Aber das ist eine der vielen Fragen, die ich an die Frau Vizebürgermeisterin zu stellen habe. Wir wollen den aktuellen Stand und auch monatlich ein laufendes Update.
Im Kontrollamtsbericht ist explizit kein möglicher Gesamtschaden durch die vielen Verjährungen genannt, weil zu viele Fragen offen sind. Können Sie aus Ihrer Sicht eine grobe Zahl nennen?
Nein, mehr als das Kontrollamt gemacht hat, ist diesbezüglich nicht möglich. Aber es ist völlig egal, um welchen Gesamtschaden es geht. Wenn man sich vor Augen führt, dass es hier nicht um ein paar, sondern um tausende Fälle geht und manche Unternehmen sich einfach nicht an Gesetze hielten und andere, die rechtskonform arbeiteten, am Ende die Blöden sind, wird klar, was für ein Schaden hier am Rechtsstaat und am fairen Wettbewerb entstanden ist.
Die SPÖ war lange Zeit nur sehr widerwillig bereit, mit dem Kontrollausschuss zusammenzuarbeiten. Hat sich das gebessert?
Ich orte zumindest verbal eine Bereitschaft, uns zu unterstützen. Man bemerkt auf jeden Fall eine mangelnde Fähigkeit seitens der SPÖ, mit Kritik umzugehen. Wenn man Misstrauen angesichts der Vorgänge im Magistrat äußert, darf das kein Grund sein, beleidigt zu sein. Im Gegenteil: Man müsste im Verständnis äußern. Da ist bei der SPÖ jede Menge ‘Mimimi’ im Spiel.
Was sind denn jetzt die weiteren Schritte?
Ich habe dem Ausschuss einen Fahrplan vorgeschlagen, der einstimmig angenommen wurde. In den kommenden Wochen nehmen wir uns den Kontrollamtsbericht kapitelweise vor. Wir wollen bereits während der Prüfung auf die Verwaltung zugehen und Verbesserungsvorschläge machen – und nicht erst am Ende.
Welchen Zeithorizont hat sich der Kontrollausschuss gesetzt?
Ich glaube, dass wir relativ zügig sein werden, obwohl man noch nicht weiß, was auf dem Weg noch alles auf uns zukommt. Wir arbeiten jedenfalls den Sommer durch und werden vielleicht schon im Herbst ein Ergebnis haben.
Auch das Land Oberösterreich prüft die Linzer Aktenaffäre parallel. Gibt es da einen Informationsfluss oder ein Zusammenspiel?
Das läuft völlig unabhängig voneinander. Ich weiß nur, dass vom Land sogar ein eigener Prüfer abgestellt wurde, der sich sogar einzelne Anzeigen auf Punkt und Beistrich anschaut. Aber das ist notwenig – denn wer immer an der Causa schuld ist, sollte nicht einfach so davonkommen.
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