Neben dem Upper Austria Ladies Linz veranstaltet Sandra Reichel seit heuer auch das ATP 500 Herren-Tennisturnier am Hamburger Rothenbaum mit einem Preisgeld von knapp zwei Millionen US-Dollar.
Sandra Reichel, die mittlerweile 29. Auflage des Upper Austria Ladies Linz ist Geschichte. Ihre Bilanz?
Es war überwältigend und für mich persönlich wahrscheinlich das speziellste Turnier überhaupt.
Warum das?
Wenn man ein 15-jähriges „Wunderkind“ wie Cori Gauff sich von der Qualifikation heraus entwickelt und was da für ein weltweiter Hype entsteht, ist das etwas Unglaubliches. Nicht nur die Tennis-, sondern die gesamte Sportwelt hat auf Linz geschaut. Man kann fast schon sagen, wir haben Tennisgeschichte geschrieben.
Und wie sehen Sie die Entwicklung des Turniers während der gesamten 29 Jahre?
Vor zwei Jahren wussten wir aufgrund des Ausstiegs unseres langjährigen Hauptsponsors nicht, wie es weitergeht, da stand das Turnier auf der Kippe. Durch die Unterstützung von Stadt, Land und den vielen anderen treuen Sponsoren ist die Zukunft gesichert. In den 29 Jahren gab es unzählige Höhepunkte. Von 25 ehemaligen Nummer 1-Spielerinnen haben wir 19 in Linz am Start gehabt. Durch die enorme Resonanz rund um Cori Gauff konnten wir ein weiteres großes Ausrufezeichen setzen.
Wie weit voraus ist die Finanzierung des Turniers gesichert – oder ist es jedes Jahr aufs Neue eine Herausforderung?
Das Problem ist, dass sich die Sponsoren immer weniger auf längerfristige Verträge einlassen. Früher gab es oft einen 3- oder 5-Jahrsevertrag, so etwas gibt es heute kaum noch, jetzt lebt man von Jahr zu Jahr. Ich mache mir keine Sorgen um die Zukunft, aber es ist immer wieder eine Herausforderung. Und es ist auch immer wieder ein großes unternehmerisches Risiko, das wir eingehen.
Wie wichtig sind zahlende Zuschauer für den wirtschaftlichen Erfolg des Turniers?
Die Einnahmen aus den Zuschauerzahlen sind vernachlässigbar – das hat auch einen speziellen Grund: Wir haben spezielle Sponsorentage eingeführt, wo unsere Partner ihre Kunden ein großer Zahl einladen können.
Mit Markus Achleitner haben Sie seit heuer einen neuen Sportlandesrat als Ansprechpartner. Wie läuft die Zusammenarbeit?
Sehr gut! Ich habe mich auch gefreut, dass er bei unserem Turnier länger geblieben ist, als er geplant hat, weil er die Stimmung genossen hat. Er ist sehr engagiert und ein wichtiger Fürsprecher des Turniers – ebenso wie Landeshauptmann Thomas Stelzer und der Linzer Bürgermeister Klaus Luger. So viele Leuchttürme haben wir im Sport in Oberösterreich nicht, das haben auch alle erkannt und darum schätzen Sie das Turnier auch.
2020 folgt die 30. Jubiläumsauflage. Sportlich kann man das Erreichte nur sehr schwer toppen. Wer Sie aber kennt, weiß: Es wird wieder ein besonderes Highlight geben.
Natürlich stellt man sich jedes Jahr die Frage, wie man noch eins draufsetzen kann. Das ist natürlich schwierig. Aber ich glaube, das Turnier hat sich mittlerweile so einen Namen gemacht, um sich keine Gedanken machen muss, wie man noch mehr Aufmerksamkeit erregt. Für das 30. Jubiläum sind wir gerade intern dabei, etwas zu planen. Was mir vorschwebt: wieder eine Brücke zur Kultur schlagen und so den 30er gebührend feiern.
Sie sind gemeinsam mit Ihrem Vater nun auch Veranstalter des ATP 500 Tennisturniers in Hamburg – ein Event mit 1,8 Millionen US-Dollar Preisgeld. Wie kam es zu diesem Ausflug ins Männertennis?
Der Deutsche Tennisbund hat die Lizenz für Hamburg ausgeschrieben und auch uns gebeten, mitzumachen – was eine Riesenehre für uns war. Ich hab noch zu meinem Vater gesagt ‚Die nehmen uns sowieso nicht, weil sie dort mit dem Ex-Profi Michael Stich einen Lokalmatador als Veranstalter haben, der das zehn Jahre lang gemacht hat. Wir haben die Ausschreibung aber dann doch gewonnen, weil wir das bessere Konzept abgeliefert haben. Im Nachhinein bin ich aber sehr froh, dass wir uns beworben haben.
Und wie verlief die erste Auflage in diesem Sommer?
Es ist schon etwas Besonders, das älteste Turnier Deutschlands und eines der traditionsreichsten Europas organisieren zu dürfen. Eine enorme Herausforderung, ich war auch entsprechend nervös. Es war überwältigend, der Zuschauerzuspruch war enorm, wir hatten drei Top Ten-Spieler am Start. In Summe ein großartiges Erlebnis.
Als Österreicherin im norddeutschen Hamburg: Keine leichte Voraussetzung. Gab es auch Anfeindungen?
Natürlich war da auch Gegenwind. Man muss sich auch in die Lage des anderen hineinversetzen: Viele kannten uns nicht, es gab große Zweifel. Irgendwann hab ich mir gesagt: ‚Egal, du musst deinen Weg gehen, nicht nach rechts oder links schauen. Mach mit deinem Team einen guten Job und zieh das durch.‘ Seitens der Spieler und der ATP-Verantwortlichen gab es überhaupt keine Probleme, die kennen und vertrauen uns seit 30 Jahren. Ganz abgesehen davon ist der Mechanismus derselbe wie in Linz, nur die Tribünen sind größer, die Stadt ist größer und das Preisgeld ist höher.
Wie ging es Ihnen in Hamburg mit dem Budget, den Sponsoren und dem Umfeld?
Da es das erste Jahr für uns war, mussten wir selber auch mit investieren. Ein paar Sponsoren haben nicht weitergemacht, wir mussten uns erst beweisen. Wir haben da aber sehr viel Unterstützung von der Stadt vielen weiteren Last Minute-Sponsoren bekommen. Ein paar Wochen vor dem Turnier habe ich nicht gewusst, wie das Ganze finanziell für uns ausgeht. Für die Zukunft des Turniers mache ich mir aber keine Sorgen.
Was ist Ihre persönliche Antriebsfeder – nach so vielen Jahren als Turnierdirektorin und Veranstalterin?
Es gibt natürlich Momente, wo man sich fragt, warum man sich das antut. Dann gibt es aber so viele positive Augenblicke und Feedback. Alleine zu sehen, wie dank unserer Kidscamps viele Kinder mit dem Tennis beginnen und dass der Sport enorm wichtig ist für die Gesellschaft, gibt mir enorm viel. Wenn man überzeugt ist von dem, was man macht, dann hat man diesen Antrieb.
Wieviel arbeiten Sie?
Urlaub gibt‘s bei mir eigentlich nicht, ich arbeite fast durchgehend. Höchstens wenn ich mal raus und zwei oder drei Tage auf die Berge will.
Auf der WTA-Seite ist immer noch Ihr Profil als aktive Tennisspielerin abrufbar: 23 Spiele gewonnen, 63 verloren. In Summe haben Sie 17.644 Dollar an Preisgeld erspielt.
Wirklich? (Lacht) Das wusste ich gar nicht. An was ich mich wirklich erinnere, ist meine Jugendzeit. Ich war mal die Nummer 25 der Jugendweltrangliste, obwohl ich zusätzlich das Gymnasium in Wels besucht habe. Ich spielte als Jugendliche sogar das US Open, Wimbledon und Paris.
Und dann der Sprung zu den Damen – wieso klappte es dann nicht mehr so?
Als ich mit der Schule fertig war und “nur mehr” bei den Damen Tennis spielte, merkte ich sehr schnell: Das erfüllt mich nicht. Es hat sich nicht gut angefühlt. Ich wollte schon damals viel lieber selbst was organisieren oder managen. Dann kam eine schwere Schulterverletzung dazu, das machte meinen Abschied noch leichter.
Und vom Talent her hätten Sie es drauf gehabt, womöglich eine zweite Steffi Graf zu werden?
Ja ich denke schon. Ich war eine extreme Kämpferin, hab täglich sechs bis acht Stunden trainiert. Ich hab’ sogar einige Monate beim legendären Nick Bolletieri in den USA trainiert, danach habe ich mein bestes Tennis gespielt. Am Ende war ich aber mit dem Kopf nicht zu hundert Prozent dabei und bin in Richtung Organisation gewechselt.
Wie läuft denn der Querpass zu Ihrem Vater, der mittlerweile in der Schweiz lebt: Tauschen Sie sich regelmäßig aus?
Das ist witzig: Jeder glaubt, wir sehen uns ständig oder telefonieren täglich miteinander. Im Tagesgeschäft ist er fast gar nicht mehr tätig. Ich rufe ihn nur manchmal an und hole seine Meinung ein. In 99 Prozent aller Fragen sind wir uns blind einig, weil wir komplett auf einer Linie unterwegs. Er hat ein klassisches Musikfestival in Andermatt aufgebaut, wo ich ihn auch unterstütze. Zusätzlich reist er extrem viel als WTA Board Member. Mit seinem weltweiten Netzwerk ist er extrem aktiv. Es kann auch sein, dass er morgen anruft und sagt, wir organisieren in ein paar Monaten einen großen Boxkampf am anderen Ende der Welt. Er ist ein extremer Stratege und denkt visionär, wir ergänzen uns perfekt.
Besteht die Chance oder die “Gefahr”, dass sich die Reichels irgendwann wieder mal im Profifußball-Bereich engagieren – oder ist das auch dieser Never Ending LASK-Story abgehakt?
Mich persönlich hat vor dem LASK der Fußball nicht sonderlich gereizt noch tut er das jetzt. Ich habe meinen Vater damals natürlich zu hundert Prozent unterstützt, weil wir eine Familie sind. Es war auch eine spannende Zeit, aber es ist meinerseits nicht mein Ziel, in diesem Bereich wieder irgendein Projekt zu starten. Ich schaue mir hin und wieder im TV die Championsleague an, das war’s dann aber auch schon.
Mit dem eigenen Vater – noch dazu, wo dieser eine sehr starke Persönlichkeit darstellt – so eng zusammenzuarbeiten, ist für die meisten Menschen ein Alptraum.
Natürlich gab es eine lange Zeit, in der ich immer “nur” als die Tochter meines Vaters wahrgenommen wurde. Am Ende des Tages muss man aber seine Rolle selbst erarbeiten. Noch dazu bin ich niemand, der selbst gerne im Rampenlicht steht. Manches wie ein Interview oder eine Pressekonferenz muss halt sein. Ich bin am liebsten in meinem Büro und ein Teamplayer, der einen guten Job machen will. Ich verstehe mich mit meinem Vater blind. Was ich ihm hoch anrechnen: Er sagte damals ‘Du übernimmst das jetzt alles’ und hat mir in keiner Sekunde dreingeredet. Wenn ich einen Fehler gemacht habe, hat er nicht von außen ‘hineingescheitelt’ und mich diese Erfahrungen machen lassen, ohne zu urteilen. Ewas ich ihm auch extrem hoch anrechne: Er hat in seinem ganzen Leben immer Frauen unterstützt und gefördert.
2020 feiert das Linzer Turnier das 30. Jubiläum, 2021 folgt ihr 20. als Turnierdirektorin und 2020 begehen Sie den 50. Geburtstag. Haben diese runden Zahlen für Sie eine Bedeutung?
Privat habe ich nichts für runde Geburtstage oder Jubiläen übrig. Meine Geburtstage feiere ich nicht besonders und eher selten, egal wie alt man wird. Bei Veranstaltungen ist das natürlich etwas anderes, den 30. Geburtstag des Upper Austrian Ladies Linz werden wir 2020 natürlich entsprechend würdigen.
Wieviele Tage pro Jahr sind Sie beruflich unterwegs?
200 bis 250.
Jetzt veranstalten Sie mittlerweile drei große Tennisturniere, Ihr Vater lebt in der Schweiz. Trotzdem sind Sie mit Ihrem Headquerter Wels treu geblieben. Warum keine Großstadt oder Weltmetropole?
Ich liebe unser Bundesland und bin eine stolze Oberösterreicherin, als gebürtige Welserin habe ich hier meine Wurzeln, ich brauche das einfach … genau wie das Bodenständige, die Natur und die Berge.
Ihre Heimatstadt Wels hat sich in den letzten Jahren einen neuen Anzug und ein neues Image verpasst. Was sagen Sie zur Entwicklung der Stadt?
Sehr positiv. Es war extrem wichtig, dass endlich etwas passierte. Das Image der Stadt war nicht das Beste. Ich wohne sehr zentral, da sieht man ganz besonders, wie sich Wels verändert hat. Stillstand – noch dazu so viele Jahre – geht gar nicht. Stillstand ist nicht meins.
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