Unglückliche Farbwahl bei “Walk of Fem”-Sternen im Donaupark
Eine gute Idee, aber die Umsetzung des “Walk of Fem” im Linzer Donaupark lässt einiges an Sensibilität vermissen. Man gedachte hier u.a. vieler Frauen, die sich gegen das NS-Regime stemmten oder dessen Opfer wurden. Warum man sich bei den Sternen aber ausgerechnet an fast genau jenem Gelb vergriff, das frappant an den von den Nazis verwendeten “Judenstern” erinnert, ist zum Kopfschütteln. Wirklich gedacht hat man sich dabei wohl nichts. Der Walk of Fem ist dennoch ein gelungenes Projekt – und ein interesssanter Streifzug durch die Geschichte von “die” Linz – auch wenn nähere Hinweistafeln auf die Lebensgeschichten (noch?) fehlen.
Einen “Walk of Fem”-Stern erhalten hat etwa Johanna Töpfer, deren Gatte und zwei Töchter Holocaust-Opfer waren. Die Linzer Antiquitätenhändlerin starb einige Jahre zuvor und musste die schrecklichen Vorkommnisse nicht mehr selbst miterleben. Ihre drei Söhne konnten sich durch Emigration in die USA und nach Israel retten.
Nachdenklich stimmt auch die Geschichte von Camilla Estermann (1881-1944). Während der NS-Zeit arbeitete sie für eine Linzer Bekleidungsfirma, die auch französische Kriegsgefangene für sich arbeiten ließ. Die engagierte Christin versuchte den Zwangsarbeitern zu helfen und steckte ihnen Lebensmittel und Kleidungsstücke zu. Außerdem verbreitete sie Schriften, die eine Niederlage im Krieg und das Ende des ’Dritten Reiches‘ vorhersagten. Am 25. 9. 1944 wurde Camilla Estermann in Linz zum Tode verurteilt, am 21. November erfolgte ihre Hinrichtung im Landesgericht I in Wien.
Weinhändler-Familie beging Selbstmord
Eine unfassbar traurige Geschichte beschreibt das Ableben von Friederike Spitz (1881-1938): In den Wochen nach dem „Anschluss“ 1938 begingen zahlreiche verzweifelte Linzer Juden Selbstmord. Die Brüder Alexander und Eduard Spitz, die gemeinsam mit ihr in der Hauptstraße 16 in Urfahr die Weinhandlung Ferihumer betrieben, sahen im gemeinsamen Freitod die einzige Möglichkeit, dem Schrecken der willkürlichen Nazi-Gewalt zu entgehen.
Leontine Klauber (1877-1942): Sie war ein weiteres der vielen Opfer des Nationalsozialismus in Linz. Klauber engagierte sich als stellvertretende Präsidentin im jüdischen Frauenverein bis zur Auflösung des Vereins im Jahr 1938. Sie trat im Jahr 1919 als erste weibliche Kandidatin zur Wahl des jüdischen Kultusgemeindevorstands in Linz an. Sie wurde von den Nationalsozialisten gezwungen, von Linz nach Wien zu übersiedeln. Nach der Zwangsdeportation in das polnische Ghetto Izbica – starb sie dort am 9. April 1942 im Alter von 64 Jahren.
“Politikerbonus” für Gemeinderätinnen?
Bei Durchsicht der Liste stößt man nicht nur auf viele NS-Widerstandsheldinnen und -Opfer, sonder auch auf sehr viele Gemeinderätinnen, die mit Sternen bedacht wurden. Politikerbonus hin oder her, aber viele vermeintlich “einfache” Frauen, Mütter und Persönlichkeiten mit deren Geschichten hätten sich wohl auch den einen oder anderen Stern verdient.
Die 1974 verwichene Marianne Lackinger etwa war eine dieser Gemeinderätinnen. Sie wurde aufgrund der “Verdienste rund um den Aufbau der sozialistischen Frauenbewegung in Linz und OÖ” geehrt.
Katharina Pieslinger war von 1919-1923 neben Theresia Brandl die einzige Frau im damals noch eigenständigen Kleinmünchner Gemeinderat … beide wurden ebenfalls “besternt”.
Ein weiterer Stern geht an Maria Beutlmayr (1870-1948). Sie war eine Kämpferin für Frauenrechte, Mitbegründerin des ArbeiterinnenBildungsvereins und setzte mit ihrem Einsatz unter anderem höhere Frauenlöhne durch. Mit Anny Grestenberger (1915-2003 wurde auch der 1967 eingesetzten, allerersten Linzer Stadträtin gedacht.
Gedacht wurde auch an Lepoldine Feichtinger – die 1920 geborene und 2014 verstorbene Linzerin arbeitete ab 1940 in der Linzer Tabakfabrik. Dort war sie 35 Jahre tätig, davon zehn Jahre lang als Betriebsrätin. Als einzige Frau setzte sie sich dort besonders für Gleichberechtigung ein.
Olga Taussky-Todd: “Linzerin” auf Verdacht?
Die Mathematikerin Olga Taussky-Todd (1906-1995) schaffte es zu weltweitem Ruf – und ebenfalls zu einem Stern im Donaupark. Ob sie allerdings als Linzerin durchgeht – hmja: Geboren 1906 in Olmütz, ging sie später in Wien zur Schule. Aufgrund der beruflichen Tätigkeit ihres Vaters – er war ein Industriechemiker, Journalist und Direktor einer Essigfabrik in Linz – besuchte sie hier zwischendurch das Gymnasium, ehe sie wieder nach Wien zum Studium übersiedelte und ab 1935 in Pennsylvania, Cambridge, London und Belfast lebte. Zur Krigszeit arbeitete sie als Radarforschungen für die britische Regierung und als Science Officer im Ministerium für Flugzeugporduktion, ehe sie 1947 in die USA emigierte.
“Sternträgerin” Maria Schwarz-Schlöglmann war das Gesicht und die Stimme des Gewaltschutzzentrums in Oberösterreich. Über 20 Jahre setzte sie sich als Geschäftsführerin mit Leib und Seele für Gewaltopfer ein. Maria Schwarz-Schlöglmann starb 2018 mit gerade aml 60 Jahren an einer Krebserkrankung.
Auch an freiheitliche Frauen wurde beim “Walk of Fem” gedacht: Dora Jelinek (1912-2009) saß ab 1961 zwölf Jahre lang im Linzer Gemeinderat und wurde 1966 sogar in den Bundesvorstand berufen.
Eine sehr spannende Persönlichkeit dürfte die Deutsche Emilie von Binzer (1801-1891) gewesen sein: Die adelige Schriftstellerin lebte in besten Kreisen in Venedig, Köln, Leipzig in Linz, ehe sie 1848 dem bereits damals sehr angesehenen Adalbert Stifter nach Linz folgte, wo sie das Eckhaus Promenade – Klammstraße bewohnte. Ihr Salon wurde zum Treffpunkt der Linzer Gesellschaft sowie gehobener Wiener Gäste. Den Sommer verachte sie in ihrem Haus in Altaussee.
Eine der absout größten Linzer “Persönlichkeitinnen” war ohne jede Zweifel die 2014 verstorbene Barbara Prammer. Sie gilt als eine der verdienstvollsten politischen Kämpferinnen für Frauenrechte der jüngeren Zeit. Nach ihrem Eintritt in den OÖ Landtag 1991 wechselte sie 1995 in die Landesregierung und wurde zur ersten Landesrätin unseres Bundeslandes. 1997 stieg sie zur Ministerin für Frauenangelegenheiten und Konsumentenschutz unter Bundeskanzler Viktor Klima auf. Sie übernahm in der Folge auch den Vorsitz der SPÖ-Frauen. 2004 folgte sie Heinz Fischer als Zweite Nationalratspräsidentin nach, zwei Jahre später rückte sie an die erste Stelle im Nationalratspräsidium vor.
Eine nicht minder großartige Sternträgerin: Autorin Käthe Recheis (1928-2015). Siue wurde am 11. März 1928 in Engelhartszell geboren. Im Verlauf ihrer langen Karriere schrieb sie an die 60 Kinder- und Jugendbücher, die in über 20 Sprachen übersetzt und mehrfach ausgezeichnet wurden. Neben ihrer schriftstellerischen Tätigkeit setzte sie sich auch für indigene Völker, vor allem in Nord- und Südamerika ein. Käthe Recheis gewann eine Vielzahl an verschiedensten Preisen und Auszeichnungen, darunter mehrfach den Österreichischen Staatspreis für Kinder- und Jugendliteratur und den Jugendbuchpreis der Stadt Wien. 1991 wurde ihr der Professorentitel verliehen.
Aktuell sind es 63 Frauen-Sterne, die am Walk of Fem verwirklicht wurden, in weiteren Steps sollen es weit über 100 werden.
-> WALK OF FEM
Mehr von Freizeit
Weiter keine Spur von den bereits für 2020 angekündigten Linzer „Taxi-Drohnen“
Erinnern Sie sich noch? Vor fünf Jahren kündigte die Stadtpolitik an, dass bereits ab 2020 Taxidrohnen der Linz AG im …
“Sputnik” kommt nicht wieder!
Und wieder verschwindet ein Gründerzeit-Gebäude in Linz: Das "Sputnik-Haus" an der Unteren Donaulände 16 (gegenüber vom Lentos Kunstmuseum) wird abgerissen …
Budweis: Jetzt auch Hurghada!
Anfangs von Linz belächelt, gibt der Flughafen Budweis nur 90 km von Linz jetzt richtig Gas: Nach bereits fünf Urlaubszielen …