Am Ende wurden es ausbaufähige 3,2 Prozent: Als gescheitert sieht Stadtentwickler und Freigeist Lorenz Potocnik sein neues Polit-Projekt LINZ+ aber nicht. Im LINZA-Talk gibt er die Route vor, die in den nächsten sechs Jahren eingeschlagen wird. Pardon für seinen Lieblings-Reibebaum und Bürgermeister Luger kennt er aber auch jetzt nicht: „Luger? Große Wahlsieger sehen anders aus.“
Lorenz Potocnik, mit 3,2 Prozent gab‘s bei der Wahl für deine neue Liste LINZ+ ein schmales Ergebnis. Im Vorfeld wurde von zehn Prozent gesprochen. Was war los?
Ja, unsere Ziele waren sehr hoch gesteckt, weil wir in die Stadtregierung einziehen und das Ressort für Stadtplanung und Mobilität übernehmen wollten. Da ist so dringend Kompetenz und Mut gefragt. Ich glaube immer noch, dass Linz hier eine unabhängige Kraft braucht. Diese Wahl war aber wirklich besonders. Einerseits haben alle großen Parteien Stimmen verloren – insgesamt 22.326 – und nur die Kleinen dazugewonnen. Andererseits sind viele junge Kräfte angetreten. Um LINZ+ zu positionieren, hatten wir nur fünf Monate Zeit, den Wahlkampf haben wir zu 100% aus eigener Kraft gestemmt. So gesehen sind zwei Mandate eine gute Basis zum Arbeiten.
Mit Vertretern von mehreren Bürgerinitiativen im Rücken nur 3,2 Prozent geholt, obwohl fast alle anderen Parteien ebenfalls schwächelten: Ist das Projekt LINZ+ in seiner ursprünglichen Form tot?
Gerade bei der genauen Analyse aller Zahlen bin ich sehr stolz auf das Ergebnis. LINZ+ hat jetzt sechs Jahre Zeit, um zu zeigen, was wir drauf haben. Wir haben übrigens (hinter MFG) den bei weitem stärksten Stimmenzuwachs aller. In bestimmten Stadtteilen waren wir deutlich über zehn Prozent.
Lag’s eventuell an der relativ knappen Themenwahl wie Radlfahren, Stadtplanung und „böse“ Hochhäuser?
Nein, das glaube ich nicht. Wir haben über das gesprochen, wo wir uns auskennen und wo wir als Stadt etwas tun können. Symbol- und Identitätspolitik à la Grün lehnen wir ab. Kleingeld aus der Pandemie zu schlagen ebenfalls. Und wir haben sicher keinen Wohlfühlwahlkampf gemacht.
Manche meinen auch, du als Spitzenkandidat und Person bist bei den Wählern nicht angekommen. Da und dort fiel die – ähem, despektierliche Zuspitzung „BOBOcnik“. Sollte man sich da nicht selbst auch ein bisschen in Frage stellen?
Dass ich polarisiere, war klar. Die Zahlen sprechen jedoch eine andere Sprache. Bei den Vorzugsstimmen – und ich habe um keine einzige geworben – liege ich weit überproportional zum Ergebnis der eigenen Liste und anderer Spitzenkandidaten. Ähnlich ist das Ergebnis der Bürgermeisterwahl.
In Summe war es aber wohl zu wenig. Hast du über einen Rücktritt nachgedacht? Du bist jetzt 50, die nächsten sechs Jahre sind vielleicht die besten und wichtigsten Deines Lebens.
Ich denke vor allem darüber nach, wie wir Linz stadtplanerisch besser auf die Beine stellen und die strukturelle Korruption eindämmen können. Auch denke ich darüber nach, wie sich LINZ+ bei der nächsten Wahl 2027 verdoppeln kann.
Wie haben deine Mitstreiter – die meisten davon politische Quereinsteiger – das Ergebnis verdaut?
Gut. Noch besser hätten wir es verdaut, wenn wir zu viert eingezogen wären. Aber nicht vergessen: Wir sind alle beruflich gut ausgebildet und unabhängig. Alle haben sich vor allem engagiert, um Linz zu verbessern.
Bürgermeister Luger war trotz Stimmenverlusten der große Wahlsieger. War deine Einschätzung von „sechs verlorenen Jahren für Linz“ und die angriffige Linie gegen Luger falsch?
Große Wahlsieger sehen anders aus, oder? Wenn man 2.728 Wähler:innen – also fast ein Zehntel der eigenen Stimmen – verliert, aber prozentuell trotzdem zulegt, hat man gerade noch einmal Glück gehabt. Sein Glück war die verheerend geringe Wahlbeteiligung. Darum will er diese auch – wie in der letzten Gemeinderatssitzung von mir angeregt – nicht wieder heben.
Wie bewertest du das Ergebnis der anderen Parteien? Das bürgerlich-rechte Linz aus ÖVP und FPÖ etwa kommt gemeinsam nur mehr auf 32 Prozent, während Rot-Grün auf über 50 Prozent anwuchs.
Bei dieser Wahl sind die vermeintlich „Kleinen“ die Interessanten. Auch Grün hat fast 1.000 Stimmen verloren und nur dank der niedrigen Wahlbeteiligung ein Mandat zulegen können. Und ja, die Blauen haben über die Hälfte ihrer Wähler verloren und sind wieder dort gelandet, wo sie all die Jahre davor waren. Nichts außergewöhnliches also. Auch die ÖVP hat fast 5.000 und damit ein Viertel ihrer Wähler verloren. Realpolitisch profitiert nur Klaus Luger davon. Er hat jetzt eine Dreifachmühle und kann je nach Bedarf mit allen dreien eine Mehrheit schaffen.
Mit 3,2 Prozent und zwei Mandaten warten auf LINZ+ sechs Jahre auf der „Ersatzbank“. Wie geht‘s jetzt weiter?
Ich mache unverändert meine Arbeit. Die Bilanz der letzten Jahre zeigt ja, was alles möglich ist als vermeintlicher politischer „Zwerg“. Unsere Stärken sind die Unabhängigkeit, der ausdauernde Einsatz und unsere Ideen. Das Team ist so gut aufgestellt wie noch nie.
Gibt’s neue Ziele, neue Köpfe?
Wir haben einige Ziele. Am wichtigsten scheint mir die Unterstützung von Bürgern, die sich in die Stadtpolitik einbringen wollen. Für diese sind wir ein verlässlicher Partner. Aktuell geht es natürlich auch darum, die katastrophale Linzer Trasse einer Ostumfahrung mit einem eindeutigen Bürgervotum abzuservieren.
Wie siehst du es grundsätzlich, dass im Linzer Gemeinderat jetzt so viele kleine Gruppierungen vertreten sind?
Positiv. Die Großen sind ja inhaltlich am Ende. Das spüren und erleben doch alle. Das sind Apparate, die mehr mit Machterhalt und Freunderlwirtschaft als mit einer guten Weiterentwicklung unserer schönen Stadt beschäftigt sind. Die sog. „Kleinen“ sind die innovativen, frischen Kräfte. Und die werden weiter wachsen in den nächsten Jahren.
Sollten die Kleinen Parteien sich nicht mehr zusammentun, um eine gemeinsame starke Stimme zu haben? Gemeinsam käme man auf 17 Prozent – oder neun Mandate. Schließlich gibt es genug Themen, bei denen man an einem gemeinsamen Strang zieht.
So schön das ist, realpolitisch ist das nicht relevant. Es geht um Mehrheiten, gelegentlich um Zweidrittel-Mehrheiten. Es wird also nicht allzu oft eine Rolle spielen, ob die Kleinen zusammenhalten oder nicht. Bei der ersten Gemeinderatssitzung war gleich schon gut zu erkennen, wie fast alle mit der SPÖ kuscheln. Da werden einige „brav“ sein, um auch immer wieder ein Häppchen zu bekommen. Das alte Spiel. Dabei ist unsere Rolle die Kontrolle der Stadtregierung. Wir werden das unter dieser Prämisse bedingungslos durchziehen
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