Und wieder eine „Investoren-Causa“ im Linzer Wohnbau: Die stadteigene Wohnungsgenossenschaft GWG verkaufte die denkmalgeschützte Arbeitersiedlung Sintstraße aus dem Jahr 1931 an die private STRABAG. Die will dort nun mit Unterstützung des Denkmalamts die Abrissbirne schwingen und statt dem bisher vorhandenen sozialen Wohnraum Eigentumsobjekte im gehobenen Segment errichten. Gehen die Abrisspläne durch, wäre das für den Denkmalschutz in Linz eine ziemliche Delle in Sachen Glaubwürdigkeit.
Ein Kahlschlag droht im bislang denkmalgeschützten Arbeiterviertel Sintstraße: Von 18 historischen Häusern sollen sieben abgerissen werden. Die restlichen sollen vom privaten Investor STRABAG Real Estate zu hochpreisigen Eigentumswohnungen mit „großzügigem Eigengarten“ umgebaut werden, große Teile der einst öffentlichen Grünfläche verschwinden damit wohl hinter Zäunen.
„Totalversagen des Bundesdenkmalamts“
Die vom richtungsweisenden Stadtbaudirektor Kühne von 1927-1931 erbaute Hafenarbeiter-Siedlung soll dafür zu beträchtlichen Teilen aus dem Denkmalschutz entlassen und abgerissen werden – für viele Fachleute ein nicht gutzumachender Sündenfall. Stadtentwickler Lorenz Potocnik spricht sogar von einem „Totalversagen des Bundesdenkmalamts“.
Zur Abriss-Begründung sagt die dafür zuständige Petra Weiss vom Bundesdenkmalamt, dass es beim Denkmalschutz ohnehin „nicht um einzelne Objekte, sondern um das Ensemble“ gehe. Nur: Was bleibt von einem Ensemble übrig, wenn fast die Hälfte dieses ‚Ensembles‘ der Abrissbirne zum Opfer fällt?
Aus 144 leistbaren Wohnungen werden 30
In den verbleibenden Häusern und in Zubauten sollen 60 hochpreisige Wohnungen statt dem bisher hier angesiedelten, leistbaren und sozialen Wohnraum entstehen. Daneben – wohl als eine Art Feigenblatt – baut die GWG gerade mal 20-30 Genossenschaftswohnungen, früher waren es 144 zwar sehr kleine, aber etwa sechsmal so viele günstige Wohnungen. Lorenz Potocnik: „Die sieben Gebäuden fallen dem Verlangen des Investors nach einer Tiefgarage für die neuen Eigentumswohnungen zum Opfer.“
Einzigartiges Ensemble
Dieses schöne, historische Ensemble aus der Blütezeit des ‚Roten Linz‘ gilt als einzigartig. Mit dem richtigen Nutzer und Entwickler wäre eine vollständige Sanierung ohne weiteres möglich gewesen. Stattdessen ging man den einfachsten Weg, die GWG verkaufte nach Jahren des Leerstands, der Untätigkeit und der fehlenden Pflege an den Höchstbieter.
Bereits 2016 forderte Lorenz Potocnik: „Beim Verkauf darf es dem Grundbesitzer GWG nicht ums Geld alleine gehen, sondern um die richtige Idee, um das beste Nachnutzungs-Konzept. Außerordentliche Bauwerke erfordern einen außerordentlichen Prozess. Es braucht unbedingt ein Wettbewerbsverfahren, um die denkmalgeschützte Arbeitersiedlung optimal zu entwickeln.“
„Es gab keinen Ideenwettbewerb, keine städtebauliche Ambition, aus der einstigen „Gartenstadt“ ein Linzer Vorzeigeprojekt mit leistbarem Wohnen für junge Familien zu machen. Es ist eine Schande, dass das Bundesdenkmalamt dieses Spiel nicht durchschaut hat.“
Lorenz Potocnik
Stattdessen trat der Worst Case ein: Die GWG hat die denkmalgeschützte Siedlung an den Höchstbieter STRABAG Real Estate verkauft. Lorenz Potocnik: „Es gab keinen Ideenwettbewerb, keine städtebauliche Ambition, aus der einstigen „Gartenstadt“ ein Linzer Vorzeigeprojekt mit leistbarem Wohnen für junge Familien zu machen. Es ist eine Schande, dass das Bundesdenkmalamt dieses Spiel nicht durchschaut hat.“
Letzte Chance Gestaltungsbeirat
Auch wenn sich viele von schönen Renderings und dem Versprechen nach „modernem Wohnraum“ blenden lassen: Der Abriss der einzigartigen Siedlung wird – wenn er durchgeht – als absoluter Sündenfall in die Linzer Geschichte eingehen. Alle Anstrengungen der Architektenszene, aber auch der Kunstuniversität, die gesamte Anlage in ihrer Rhythmik und Größe zu erhalten, waren umsonst. Die letzte mögliche Notbremse ist der Linzer Gestaltungsbeirat, der am 6. Februar 2023 über die Pläne der Investoren und die damit verbundenen Abrisswünsche befindet.
Die Gartenstadt Sintstraße
Architekt der von 1927-1931 errichteten Hafenarbeiter-Siedlung war der legendäre Stadtbaudirektor Curt Kühne. Das „Rote Linz“ verfolgte damals die Idee einer Gartenstadt – eher kleine, schmucklose Wohnhäuser mit viel Grünraum als Treffpunkt und Kommunikationsraum, die sich an englische Vorbilder anlehnte. Das Viertel umfasst 18 zweigeschossige, freistehende Häuser mit 144 Wohnungen auf einem 16.000m2 großen Grundstück mit einer parkähnlichen Grünanlage als Zentrum. Die ehemalige Arbeitersiedlung ist architektonisch ein historisch wertvolles Beispiel für die bis heute lebendige „Gartenstadt“-Bewegung. 2008 wurde die Anlage unter dem damals zuständigen Stadtrat Luger seitens der Stadt an die GWG verkauft, die das Ensemble 2015 nach sieben Jahren Stillstand an die STRABAG weiterveräußerte. Bis auf ein paar Einheiten stehen die Häuser seitdem leer.
Mehr von Linz
Linz sperrt aus
Zu einem Ärgernis werden immer wieder die vielen Wohnmobile von Städtereisenden, die irgendwo wild und unerlaubt für mehrere Tage parken …
LINZA live!
Ab sofort präsentiert das LINZA stadtmagazin Talks & Videos aus und über Linz, von Events, Pressekonferenzen und Veranstaltungen. Die Liste …
Weitere 4 Millionen Euro für die Linzer Radfahrer
Nichts ist gratis im Leben, auch keine Verkehrswende: Fast vier Mio. Euro für die Radfahrer sollen bei der kommenden Linzer …