Auf den Spuren der vergessenen Linzer Turmlinie
Es war eine verwegene Idee – und für seine Zeit eines der weltweit größten Bauprojekte: die Maximilianische Turmlinie rund um Linz, die 1833 fertiggestellt wurde. Heute sind von diesem imposanten Bauwerk nur mehr wenige der insgesamt 32 Türme erhalten – wie so viel geschichtliches Erbe der Stadt wurde auch mit diesen Monumenten sträflich fahrlässig umgegangen. Wir haben uns im Rahmen einer 26km langen Wanderung auf die Suche nach den Original-Schauplätzen der Turmlinie gemacht.
1809 kämpfte Erzherzog Maximilian Joseph von Österreich-Este in Deutschland gegen die Franzosen. Nach der Niederlage bei Regensburg deckte er den Rückzug der österreichischen Armee und sollte die Stadt Linz durch Feldverschanzungen verteidigungsbereit machen, was aus Zeitmangel nicht gelang. Die Schlacht bei Ebelsberg war eines der vielen blutigen Aufeinandertreffen der beiden Armeen. An nur einem einzigen Tag starben beim Ringen um die Brücke über die Traun 10.500 österreichische und französische Soldaten.
Die Ereignisse von 1809 bewogen Erzherzog Maximilian dazu, sich später mit einem geeigneten Befestigungssystem für strategische wichtige Punkte im Reich zu befassen. Realisiert wurden seine Pläne mit der Turmlinie rund um Linz. 1833 – nach zwei Jahren Bauzeit – war eine Großzahl der Türme fertiggestellt. Militärisch würden sie aber nie genutzt, bereits 1858 wurde die Befestigungsanlage aufgegeben. Die Fortschritte in der Waffentechnik – Geschütze mit gezogenen Rohren hatten eine größere Reichweite – ließen ihren strategischen Wert gegen Null sinken.
Von den einst 27 Normal- und fünf Segmenttürmen sind nur noch wenige erhalten. Am bekanntesten ist das Fort am Pöstlingberg mit fünf Türmen, in einem davon dreht die Pöstlingbergbahn ihre Runden, auf einem weiteren befindet sich die bekannte Aussichtsterrasse.
32 Türme auf 26 Kilometern rund um Linz
Wir starten unsere Türme-Tour bei der Mühlkreisbahnhaltestelle Puchenau, die in nur vier Minuten von Urfahr aus erreichbar ist. Über den Puchenauer Kreuzweg geht es mäßig steil durch den Wald zur “Warte Edelburga” – eine mystisch anmutende Ruine aus groben Steinen. Der Turm ist innen teilweise noch begehbar und gibt erste Einblicke in den monumentalen Festungsring. Mit ein paar Handgriffen kann man über grobes Blockwerk das Dach erklimmen, auf dem dicke Bäume Wurzeln geschlagen haben. Eine Feuerstelle und ein paar vergessene Stöckelschuhe in luftiger Höhe zeugen von “Nahkämpfen” anderer Art…
Im steilen Wald zur Donau hinunter steht die “Anschlussmauer”, ein mächtiger Steinwall, der einst mit der Warte “Kunigunde” direkt am Fluss (nicht mehr erhalten) verbunden war. Von hier konnte man eine Kette auf die andere Seite der Donau spannen und den Verkehr auf der Donau blockieren.
Gleich dahinter der wohl stimmungsvollste und extrem mystische Turm 15 (“Luitgarde”), bei dem das gesamte Innengewölbe erhalten blieb. Der Mix aus Ruine und Erhaltenem, dazu der Lichteinfall und die überall wuchernden Bäume, das Laub, Äste, Wurzeln – unfassbare Eindrücke. Ob den Bauherrn damals bewusst war, wie das alles hier knapp 200 Jahre später aussehen mag?
Bis zu 3.000 Menschen haben 1831 gleichzeitig an den Türmen gearbeitet – hier, mitten in der Natur, weit fernab der Stadt. Etwas oberhalb erahnt man im Wald noch die Reste von Turm 16 (“Seraphina” / die Türme wurden nach weiblichen Heiligen benannt). Bevor man das “Fort Pöstlingberg” mit seinen sechs (nicht numerierten) Türmen erreicht, passieren wir noch den an der Bundesstraße gelegenen, imposanten Turm 18 (“Katharina” alias “Leitl-Turm”), der 1962 zu einem privaten Wohnhaus umgebaut wurde und darum nur von außerhalb des Zauns besichtigt werden kann. Von der Bundesstraße aus hat man aber einen ganz passablen Blick.
Eine eigene Geschichte ist das Fort Pöstlingberg mit den Türmen “Maria” (Endstation der Pöstlingbergbahn), “Euphemia” (Aussichtsterrasse), “Nothburga” (Eingangstor Richtung Schlössl-Restaurant), “Beatrix” (Grottenbahn) und “Julia” (nicht erhalten) – ein unterschätztes, wunderschönes Ensemble. Leider fehlen hier auch Schautafeln und Informationen für die Besucher. Schade!
Über den Kreuzweg hinab geht’s vorbei an Turm 19 (“Dorothea”, ein spannend gestaltetes, privates Wohnhaus), ehe am Ende der Mayrwiesen Turm 20 (“Cäcilia”) wartet, mit seinem zugewachsenen Dach ein absolutes Highlight. 2005 plante die Diözese Linz als Eigentümerin den Einbau von zwölf Wohnungen und zwei Ateliers – das allerdings hätte den Bau einer Zufahrtsstraße und von Parkplätzen im Grüngürtel erfordert, weshalb es zu keiner Verwirklichung kam.
Danach folgt eine echte Durststrecke quer durch Urfahr, Turm 21-23 (lagen in der Achse zwischen Petrinum und Voest-Brücke) wurden bereits vor langer Zeit abgetragen, um Platz für die wachsende Stadt zu schaffen. Auch hier wären Schautafeln an den Original-Standplätzen eine gute Idee, um das Bewusstsein und das Wissen für dieses geschichtliche Erbe zu bewahren.
Obwohl sensationell gut erhalten, gibt Turm 24 ein trauriges Bild ab: Von Autobahnzubringern quasi “umzingelt” und damit nicht zugänglich, fristet das geschichtsträchtige Bauwerk ein trostloses Dasein im Niemandsland. Wo sind die innovativen Köpfe der Stadt Linz, die den Ort mit einer Fußgängerrampe zugänglich und den Turm nutzbar machen – als Eventlocation, Jugend-Spielplatz oder Künstlertreff?
Auf der anderen Seite der Donau treffen wir im Hafenviertel auf den Turm Nr. 25 (“Winfriede”), ebenfalls top in Schuss. Hier hat sich (neben ein paar Wohnungen im Obergeschoß) das Unternehmen “Wohnkult im Turm” eingemietet – ein stylisches Unternehmen für Accessoires und Inneneinrichtung, das den Räumlichkeiten gekonnt und mit viel Gefühl neues Leben eingehaucht hat.
Danach herrscht auf einem Halbkreis durch die Stadt Sendepause: Die nächsten 16 (!) Türme wurden im Laufe der Zeit alle rückstandslos dem Erdboden gleichgemacht, die genauen Standorte sind nur mehr zu erahnen. Lediglich hinter dem “Spinatbunker”-Hochhaus auf der Wienerstraße (Nähe WIFI) finden sich ein paar Erdwälle, die an Turm Nr. 1 (“Rosalia”) erinnern. Die von der voestalpine hierher führende “Turmstraße” erinnert mit ihrem Namen noch daran, dass dies einst der Verbindungsweg zu den östlich gelegenen Türmen war.
Besser und nachhaltiger hat die Stadt Leonding das Erbe der Turmlinie bewahrt: Gleich vier Türme sind gut bis hervorragend erhalten. In einem (Turm 9/”Apollonia”) wurde sogar ein Museum eingerichtet, es gibt auch einen Türme-Wanderweg mit allerlei Informationen. Architektonisch besonders interessant: Turm 12 (“Agnes”), der in Besitz der Baufirma Haller ist und mit zwei Etagen aufgestockt wurde. Uplifiting der besonderen Art!
Sehr schön und im Originalzustand erhalten dann wieder Turm 13 (“Genoveva”), der auf einer Anhöhe steht und einer kleinen Festung gleicht. Im zweiten Weltkrieg wurde auf dem Hang davor zwei MG-Nester aus Beton in den Erdwall gegossen – stumme Zeugen einer kriegerischen Vergangenheit. Turm 13 wurde (vorbildlicherweise) im Jahr 2000 von der Stadtgemeinde Leonding gekauft und teilsaniert, um ihn als Kulturdenkmal zu erhalten.
Der ein paar hundert Meter Richtung Donau situierte Turm 14 ist hingegen komplett abgetragen, der Standort ist durch den ringartigen, erhalten gebliebenen Wall sehr gut zu erkennen. Dahinter folgt über den Abhang zur Donau hinunter die Anschlussmauer zum ominösen “Burschenschafterturm” direkt an der Donau, der die Aura einer Burg versprüht und ein weiteres gut erhaltenes Relikt des Turmwalles darstellt. Hier schließt sich unsere über 25km lange Runde, zurück geht’s mit dem Bus von St. Margareten zum Hauptplatz. Eine lange Wanderung mit Eindrücken ohne Ende. HIER der Link zum Nachwandern!
Conclusio
Wirklich schade, leider aber auch bezeichnend für Linz, dass mit dem Erbe der Maximilianischen Türme dermaßen lieb- und sorglos umgegangen wird. In neun Jahren wird die gewaltige Anlage – oder besser gesagt deren Reste – 200 Jahre alt. Vielleicht schafft es Linz bis dahin, sich seiner Geschichte zu besinnen – mit Schautafeln an den Original-Schauplätzen und vielleicht einem Museum in einem der erhaltenen Türme. Nummer 24 im Niemandsland der Autobahn würde sich dafür hervorragend eignen. Oder warum keine Landesausstellung? Die Realität ist wohl leider eine andere: Linz setzt lieber auf Digitales, Computerkunst und Innovation, reißt Altes bevorzugt weg, als es zu erhalten. Aber ohne Bewusstsein und Bewahrung der eigenen Geschichte gibt es auch keinen Fortschritt und schon gar keine Innovation…
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