Erinnern Sie sich noch? Es ist noch gar nicht so lange her, da wurden wir dazu erzogen und geradezu ermahnt, Strom zu sparen. Zuletzt und da ganz besonders intensiv rund um den Beginn des Ukraine-Konflikts. Nur wenig später – unsere Stromquellen sind durch LNG-Gas, das per Tanker und via Rotterdam weiter zu uns gelangt, nicht sauberer, sondern noch schmutziger geworden – ist davon keine Rede mehr. Im Gegenteil: Der Stromverbrauch steigt immer weiter – dank Stromheizungen, Green Steel, Elektroautos, E-Bikes und den Ausbau der KI-Rechenzentren ins Unermessliche.
Nur einmal pro Woche duschen, einen Deckel auf den Kochtopf und die Weihnachtsbeleuchtung dunkel lassen: Mit teils skurrilen Stromspar-Vorschlägen aller Art übertrumpfte sich die Politik noch im September 2022. Davon ist heute – trotz gleicher Lage am Energiemarkt – längst keine Rede mehr. Im Gegenteil: Der Stromverbrauch wird mit aller Gewalt auf die Spitze getrieben. Etwa beim der Segen der künstlichen Intelligenz, den wir uns ordentlich was kosten lassen – in Form einer Unmenge an Strom. Laut Berechnungen steigt alleine der weltweite Stromverbrauch durch den Ausbau von KI-Rechenzentren bis 2030 auf 945 Terrawattstunden – das entspricht etwa dem 16-fachen gesamten Jahres-Stromverbrauch Österreichs.
Ein weiterer XXL-Stromfresser entsteht derzeit in Linz: Zur Dekarbonisierung der Stahlproduktion will die voestalpine bis 2027 zwei ihrer Hochöfen durch Elektrolichtbogenöfen ersetzen. 1,5 Milliarden Euro werden investiert. „Green“ ist der Stahl jedoch nur, wenn der eingesetzte Strom auch aus alternativen Energiequellen stammt. Bis 2027 ist es jedenfalls schlichtweg unmöglich, die erforderliche „grüne“ Strommenge zu erzeugen, dazu bräuchte es 3.000 zusätzliche Windräder – aktuell gibt es im gesamten Bundesgebiet erst knapp 1.400 Stück. Aber ganz egal ob aus alternativen oder fossilen Energiequellen: Die benötigte Menge an Strom ist unfassbar groß.
„Wir reden nur mehr davon, wo und wie wir noch mehr Strom produzieren können, egal was das für die Umwelt und die Natur bedeutet.“
Auch für die E-Autos ist die benötigte Strommenge enorm. Würde man aktuell alle in Österreich zugelassenen Fahrzeuge auf E-Betrieb umstellen, bräuchte man dafür pro Jahr weitere zwölf Terrawattstunden Energie – oder ca. 1.000 weitere Windräder.
Aber auch Kleinvieh macht Mist: Alleine die Linzer Leih-Scooter-Flotte verbraucht pro Jahr um die 250.000 Kilowattstunden – das entspricht dem Monatsverbrauch von über 1.000 Linzer Haushalten. Zählt man da die mittlerweile tausenden E-Bikes noch dazu, kommt ganz schön was zusammen. E-Bikes und -Scooter haben eines gemeinsam: Beide sind (in den allermeisten Fällen) Nice-to-Have Gadgets. Der Alltag ließe sich auch ohne ganz gut bewerkstelligen. Laut einer Studie der Technischen Universität Graz wird sich mit der fortlaufenden Elektrifizierung Österreichs Strombedarf bis 2040 auf 125 Terawattstunden (TWh) verdoppeln.
Der Fehler im System: Keiner redet mehr vom Stromsparen, vom Zurückfahren des Energieverbrauchs. Im Gegenteil: Es gibt immer nur ein Mehr-mehr-mehr. Mehr grüner Stahl, mehr E-Mobilität, mehr E-Bikes. Künftig sollen auch Schiffe, LKWs und Flugzeuge mit Strom unterwegs sein. Die Frage, wie man diesen E-Schnellzug stoppen oder verlangsamen kann, stellt keiner – im Gegenteil: Wir reden nur mehr davon, wo und wie wir noch mehr Strom produzieren können, egal was das für die Umwelt und die Natur bedeutet.





























