Architekt Andreas Kleboth ist Mitglied der Städtebaulichen Kommission in Linz. Sein Herzensanliegen: Stadtentwicklung. Ein Gespräch über Linz.
Andreas Kleboth, wird die aktuelle Corona-Entwicklung zukünftig noch mehr Anleger in den Immobilienbereich treiben oder wird sich dieser Markt abschwächen? Die Experten sind sich bislang uneins, wohin die Reise gehen wird.
Es hat in Österreich in den letzten 15 Jahren einen sehr intensiven Wohnbau gegeben – vor allem darum, weil es einen überproportional starken Zuzug gab. Dieser Zuzug wird in den nächsten Jahren mit Sicherheit abflauen, insofern wird auch der Bedarf an Wohnraum abnehmen. Die andere Frage ist, was machen die Leute mit ihrem Geld? Das hängt alles zusammen, denn natürlich betrifft der Mietmarkt auch die Anleger, die ihre Wohnungen vermieten wollen. Wir werden aber wohl einiges an Leerstand bauen in den kommenden Jahren. Kurzfristig wird die Baubranche keine Delle erleben, aber mittelfristig sehr wohl, das betrifft den sozialen Wohnbau gleichermaßen wie den frei finanzierten Bereich. Und der Büromarkt war bereits vor der jetzigen Krise am Boden. Ich kann mir auch schwer vorstellen, dass der Staat seine Konjunkturmaßnahmen in erster Linie beim Bauen setzen wird – zumindest nicht im Hochbau.
Mit dem Bulgari-Tower wurde kürzlich ein spektakuläres Linzer Hochhaus-Projekt zu Grabe getragen. Mit der Tabakfabrik, den Drei Türmen und der Post City stehen die nächsten Hochhausbauten bereits am Start. Könnte es aufgrund der Markt-Stagnation auch hier Adaptierungen oder Rückzieher geben?
Bei den geplanten oder in Bau befindlichen Projekten wird es keine Änderungen geben. Bei all dem, was sich im Konzeptionsstadium befindet, würde es mich sehr wundern, wenn es keine Nachjustierungen geben würde. So ein Umdenken schadet auch gar nicht.
Wieviele Wohnungen und Büros verträgt der bereits vor der Krise übersättigte Linzer Markt noch?
Ich würde eher so fragen: Wieviel Zersiedelung im Umland oder weiter draußen verträgt Oberösterreich noch? Ein gutes Beispiel ist die geplante Verbauung der Kaserne Ebelsberg: Natürlich erzeugt das dort einen zusätzliche Frequenz. Das ist aber kein Verkehr, den es sonst nicht geben würde – er wäre dann halt nur von irgendwo anders her. Es wäre daher wichtig und sinnvoll, dass viele Bautätigkeiten im Umland besser in Linz stattfinden und so die Stadt verdichtet wird.
„Linz hat im Gegensatz zu Wien, Graz oder Salzburg viel weniger geschichtliches Erbe und könnte dadurch entspannter und befreiter mit Konventionen umgehen. “
Andreas Kleboth
Wie dicht verbaut ist Linz denn wirklich? Bürgermeister Klaus Luger betont stets, Linz hätte keinen Platz mehr, darum muss so viel in die Höhe gebaut werden.
Linz ist eigentlich sehr wenig verbaut, es fehlt die Dichte. Konzentriertes städtisches Lebensgefühl gibt es nur auf eher kleinen Flecken. Eine Verdichtung täte gut, weil dann mehr Leben, mehr Intensitäten und mehr Ereignisse im öffentlichen Raum stattfinden. Wir erzeugen im Stadtraum viele Abstands- und Restflächen, was ich für einen sehr sorglosen Umgang halte. Schauen Sie sich alte Städte mit ihren Stadtmauern an: Dort musste man mit dem vorhandenen Platz das Auslangen finden, entsprechend sorgsam ging man mit den Flächen um. Es gab auch einen Konkurrenzkampf um den öffentlichen Raum – im Sinne von „Wer darf ihn wie nutzen?“ So ein Konkurrenzkampf der besten Ideen war immer typisch für Städte. Das gibt es in Linz nicht, weil wir hier einfach zu viel öffentlichen Raum und darum einen sorglosen Umgang mit Flächen haben.
Was denken Sie als Stadtentwickler: Hat die aktuelle Krise auch Auswirkungen auf die Stadtmobilität? Andere Städte wie Paris oder Brüssel haben die Zeit genutzt, um mehr Platz für Radfahrer und Fußgänger zu schaffen. Bei uns wurde dieser Ball bislang nicht aufgenommen.
Man drängt den Autoverkehr zurück, der öffentliche Raum wird von anderen Verkehrsteilnehmern okkupiert und nicht mehr hergegeben. Das Szenario ist aber nicht realistisch, denn wir erleben aktuell eine Entwicklung in Richtung Vorbehalt gegen öffentliche Verkehrsmittel – teilweise wohl auch zurecht. Viele Menschen werden ganz bewusst wieder ins Auto steigen, um der möglichen Ansteckungsgefahr zu entgehen. Das könnte dazu führen, dass wir zukünftig sogar mehr Autoverkehr haben als bisher. Dann wird es schwer möglich sein, den weggenommen Platz den Autos nicht wieder zurückzugeben.
Dafür hat das Thema Homeoffice im Gegenzug aber eine entlastende Wirkung auf den Verkehr.
Völlig richtig. Ich selbst war früher drei Tage die Woche mit dem Zug unterwegs nach Wien, Salzburg oder Innsbruck, jetzt geht das schon seit vielen Wochen via Videokonferenz. Wir lernen jetzt Arbeitsformen, die uns den Alltag leichter machen und auch den Verkehr in Summe reduzieren. Wenn es uns gelingt, dass wir in Zukunft nur einen Tag pro Woche von zuhause aus arbeiten, würde das den gesamten Pendlerverkehr um 20 Prozent reduzieren – das ist enorm viel, sowas schafft man mit keiner anderen Maßnahme – und das ohne jegliche Zusatzkosten. Das wäre auch für Wohnorte eine gute Sache, weil dort wieder mehr Leben stattfindet.
Wie viele andere Innenstädte verödet auch die Linzer Landstraße in manchen Bereichen. Wie lässt sich der Kampf gegen die Online-Shops und den immer weiter wachsenden Leerstand gewinnen? An diesem Problem arbeiten sich derzeit viele europäische Städte ab – meist erfolglos.
Unsere Städte gibt es schon sehr lange und sind wahre Stehaufmännchen. Die Attraktivität von Innenstädten ist auch nicht umzubringen. Man darf nicht vergessen, dass sich Einkaufszentren sehr oft am Vorbild einer Stadt orientieren. Es hat sich ja erst in den letzten 50, 60 Jahren eingebürgert, dass unsere Städte kommerzielle Zentren sind, statt Orte des kulturellen und öffentlichen Lebens. Natürlich wird die Verkaufsfläche in den Innenstadtgeschäften abnehmen. Aber ist das unbedingt negativ zu sehen? Macht die Filiale einer großen internationalen Modekette wirklich das städtische Leben aus? Ich würde sagen Nein. Es sind ganz andere Dinge. Kulturelle Einrichtungen etwa, mehr Aufenthaltsqualität mit Sitzgelegenheiten, Schatten, aber auch unverwechselbare Geschäfte. Die Linzer Herrenstraße zeigt das ganz gut vor – dort ist der Mietendruck nicht so hoch, so können sich auch kleine Geschäfte halten. Atmosphärisch hat die Herrenstraße die Landstraße sowieso schon längst überholt. Es wird zu einer Transformation der Innenstädte kommen – mit dem Ergebnis, dass alles abwechslungsreicher und unverwechselbarer sein wird als die jetzigen Einkaufsstraßen. In Summe ist es eine große Chance für das städtische Leben.
Wie mutig ist Linz grundsätzlich, was neue Ideen und Innovation im Bauwesen betrifft?
Ich finde nicht, dass Linz mutlos ist, aber es ginge schon noch mehr. Denn Linz hat einen großen Vorteil: Linz hat im Gegensatz zu Wien, Graz, Salzburg oder Innsbruck viel weniger geschichtliches Erbe und kann dadurch entspannter und befreiter mit jeglichen Konventionen umgehen.
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