“Wir geben dem Autoverkehr immer noch große Freiheiten und jede Menge Platz”
Die publik gewordenen Pläne eines Parkhauses an der Oberen Donaulände, für das ein historisches, über 450 Jahre altes Salzstadel abgerissen werden müsste, stehen weiter in der Kritik. Der renommierte Architekt, Stadtentwickler und Mitglied der Städtebaulichen Kommission, Andreas Kleboth, hat andere Ideen und sieht für das dortige Gebiet großes Potenzial. “Die Vorstellung, dass die Altstadt und auch der Hauptplatz einen direkten Zugang zur Donau ohne die Zäsur der stark befahrenen Straße haben, ist schon sehr reizvoll”, so Kleboth im LINZA-Talk.
Was waren Ihre ersten Gedanken, als Sie von den Plänen der geplanten Hochgarage an der Donaulände hörten?
Der sorglose und weitgehend unbedachte Umgang mit Ressourcen, mit Grund und Boden, Konzept- und Ideenlosigkeit fallen in den meisten Stadtregionen nicht besonders auf. Erst wenn diese Projekte direkt im Herzen der Stadt wie jetzt in Linz realisiert werden sollen, wird für die breite Öffentlichkeit offensichtlich, wie wenig Konzept und übergeordnetes Denken dahinterstecken. Genauso verhält es sich bei Verkehrsprojekten. Wir geben dem Autoverkehr immer noch zu große Freiheiten und jede Menge Platz.
Da führen wir mittlerweile seit Jahren eine Klimadiskussion und wollen Linz zur Klimahauptstadt machen. Wie passt das mit einer weiteren großen Parkgarage, die noch mehr Autos ins Zentrum zieht, zusammen?
Ich finde es in der Tat bemerkenswert, dass so ein Projekt in genau der von Ihnen beschriebenen Zeit auftaucht. Das selbst gesteckte Ziel, Österreich bis 2040 klimaneutral zu machen, ist ein glatter Widerspruch zu dieser Idee. Öffentliches Interesse für einen lebenswerten Stadtraum und der Erhalt historischer Bausubstanz passen mit dem einseitigen Interesse mancher Projektentwickler und deren einfachen Konzepten, wirtschaftlichen Profit zu machen, in keiner Weise zusammen.
Das selbst gesteckte Ziel, Österreich bis 2040 klimaneutral zu machen, ist ein glatter Widerspruch zu dieser Idee.
Andreas Kleboth
Warum sorgt gerade dieses Bauprojekt für so großen Aufruhr?
Erstens befindet sich das Projekt an einer bekannten, deutlich sichtbaren Stelle in der Stadt direkt an der Donau. Es ist gleichsam ein Eingriff am Herzen der Stadt und nicht irgendwo.
Zweitens macht es deutlich, dass viele Linzer spüren, dass an diesem Übergang zwischen Kernstadt und Donauraum ein hohes Potenzial für einen spannenden Stadtraum schlummert und zugleich ein großes Defizit an Ideen besteht. Der Aufschrei beinhaltet auch den großen Wunsch der Bevölkerung, dass wir uns um das verkehrsgeplagte, derzeit fast schon abstoßende Donauufer von der Nibelungenbrücke bis St. Margareten verstärkt annehmen.
Welches Potenzial hat dieser Standort?
Die Vorstellung, dass die Altstadt und auch der Hauptplatz einen direkten Zugang zur Donau ohne die Zäsur der stark befahrenen Straße haben, ist schon sehr reizvoll. Wird die Donau hier besser erlebbar, entwickeln die seit langem ziemlich verloren herumstehenden Häuser an der Oberen Donaulände eine enorme Fantasie. Die gesamte Altstadt würde mit einem Zugang zur Donau eine Aufwertung erfahren, eine vielfältig belebte Donaulände brächte auch neue Nutzungsoptionen für die alten Gebäude.
Ist es nicht eine Illusion, die vielbefahrene Obere Donaulände autofrei zu machen?
Wie immer geht es zunächst darum, ein Ziel, eine Vision für den Ort zu formulieren. Erst daraus lassen sich dann die weiteren Schritte ableiten. Wenn das Ziel ist, dieses Donauufer zu attraktivieren, die Zugänglichkeit zur Donau zu erhöhen, die Altstadt ans Wasser zu bringen, müssen Varianten geprüft werden, was mit dem Autoverkehr an dieser Stelle geschieht.
Wie könnte eine Belebung aussehen?
Von aufwändigen baulichen Lösungen wie einer Untertunnelung über eine Verkehrsverlegung bis zu einer Begegnungszonen mit geringer Fahrgeschwindigkeit und relative geringem baulichen Aufwand gibt es ein breites Spektrum an Möglichkeiten. Jedenfalls erscheint die jetzt vorliegende Planung einer Hochgarage am Fluss derartige Bemühungen zu konterkarieren.
Von aufwändigen baulichen Lösungen wie einer Untertunnelung über eine Verkehrsverlegung bis zu einer Begegnungszonen mit geringer Fahrgeschwindigkeit und relative geringem baulichen Aufwand gibt es ein breites Spektrum an Möglichkeiten für die Obere Donaulände.
Andreas Kleboth
Also mehr Platz für Fußgänger und sanfte Mobilität?
Naheliegend ist, dass die bestehende Donaupromenade westlich der Nibelungenbrücke verlängert wird. Das würde zum Beispiel auch den Fußweg zum Schloss einladender machen als jetzt. Ein Lückenschluss aus einem attraktiven Fuß- und Radweg in Richtung Wilhering würde St. Margarethen enger mit dem Stadtzentrum verknüpfen und die tollen grünen Strände leichter erreichbar machen.
Könnte mit der Westringbrücke über die Donau und dem anschließenden Tunnel eine Neuordnung der Verkehrsflüsse einhergehen?
Ja, es gibt es bald diese neue Stadteinfahrt über den Westring. Da würde es Sinn machen, möglichst viele Autos direkt bei der Abfahrt abzufangen und hier eine Sammelgarage zu errichten, aber nicht mitten in der Stadt. Über die verlängerte Donaupromenade könnten dann die Stadtbesucher ins Zentrum gelangen. Innovative Formen der Mikromobilität könnten die Verbindung erleichtern und auch Bestandteil des gewünschten wenig beschwerlichen Aufstiegs zum Schloss sein.
Das löst aber immer noch nicht die Frage der Attraktivierung des Salzstadels und des angrenzenden Gebäudes.
Stimmt. Aber durch diese Maßnahmen wird ein Zeichen gesetzt: „In der Linzer Innenstadt wird der Autoverkehr stark reduziert! Lasst Euer Auto draußen stehen!“ Als flankierende Maßnahme kann dann die Obere Donaulände zu einer multimodalen Straße werden. Statt der Fokussierung auf den Autoverkehr könnten eine stark verringerte Breite der Fahrbahn Platz für Vorgärten, zum Bummeln und Radeln schaffen, Fahrbahnteiler mit Alleebäumen, geänderte Straßenprofile usw. eine Querung von der Altstadt Richtung Donau in Form einer ‚Begegnungszone‘ erleichtern. Hier wäre so viel möglich.
Bild: Engel+Völkers, Kleboth
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