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„Die Glaubwürdigkeit schwindet“

6. Dezember 2024
in Freizeit
Franz Zeiger ist Geistlicher in der Pfarre Linz-St. Peter und u. a. für die Linzer Tiersegnung bekannt.

Franz Zeiger ist Geistlicher in der Pfarre Linz-St. Peter und u. a. für die Linzer Tiersegnung bekannt.

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72.055 Menschen traten 2021 österreichweit aus der katholischen Kirche aus. In der Diözese Linz drehten fast 13.000 Menschen dem Kreuz den Rücken zu – ein Plus von 27,3 Prozent gegenüber 2020. Der engagierte Linzer Pfarrer und „Tierpapst“ Franz Zeiger gilt als besonders volksnah und mit viel Gespür dafür, wo der Schuh drückt. Ein Gespräch über Kirchenaustritte, Zölibat und den Priestermangel.

Franz Zeiger, Sie sind mit Ihrer Pfarre am Spallerhof einer, der besonders nah bei den Menschen ist. Woran liegt’s, glauben Sie?
Bei den Wiedereintritten höre ich immer wieder, dass der Kirchenbeitrag der Auslöser für den seinerzeitigen Austritt war. Das kann ich durchaus nachvollziehen.

Der Spallerhofer Pfarrer Franz Zeiger ist auch ein großer Tierfreund und für seine alljährliche Tiersegnung landesweit bekannt.

Die Kirche argumentiert, dass die Beiträge leistbar sind.
Wenn man jemandem kurz nach seinem 18. Geburtstag gleich mal eine Kirchenbeitragsvorschreibung zustellt, kommt das sehr durchwachsen bei den Betroffenen an. Gerade junge Menschen, die wenig oder gar nicht in einer Pfarre sozialisiert sind, überlegen dann den Austritt. In der Regel hat man in diesem Alter ja eher nicht sehr viel Geld. Also wird genau unterschieden: Was muss ich unbedingt bezahlen und wo kann ich etwas einsparen. Freilich – ohne Geld kommt auch die Kirche nicht aus. Gehälter und Gebäudeerhaltung sind ein großer Brocken, der immer wieder zu stemmen ist. Dennoch denke ich, dass das Kirchenbeitragssystem in dieser Form in naher Zukunft zu überdenken ist.

In welcher Form?
Finanziert werden muss die Kirche, das steht außer Zweifel. Dieses Erlagschein-Verschicken direkt von der Kirche ist aber nicht mehr zeitgemäß. Es ist höchst an der Zeit, darüber nachzudenken. In Italien zum Beispiel gibt es ein anderes Modell, die sogenannte Kultursteuer, die jeder bezahlt und 0,8 Prozent der Lohn- bzw. Einkommensteuer umfasst. Die muss jeder Bürger zahlen, man kann aber bestimmen, welche soziale oder kulturelle Einrichtung das Geld bekommt.

Dieses Erlagschein-Verschicken direkt von der Kirche ist nicht mehr zeitgemäß. Es ist höchst an der Zeit, darüber nachzudenken.

Pfarrer Franz Zeiger

Es gibt viele, die sagen, die Kirche ist eh so reich und bekommt obendrein auch noch jede Menge Spenden.
Das stimmt auf der einen Seite sicherlich. Kirche als solches ist aber ein schwammiger Begriff. Wir in der Pfarre etwa haben nichts davon, wenn irgendein Kloster oder eine Diözese Besitztümer hat. Wir müssen sogar unsere Sanierungen der Kirche großteils selber finanzieren. Vom Kirchenbeitrag bekommt jede Pfarre vom jeweiligen Pfarrgebiet anteilsmäßig zehn Prozent, insofern spüren wir die Kirchenaustritte natürlich schon sehr stark.

Ist Geld der einzige Grund?
Nein, darüber hinaus höre ich so manches von den Menschen. Etwa, dass manche Probleme mit dem Zentralismus in der Kirche haben, der derzeit in unserer Diözese noch zuzunehmen scheint.

Die Kirche will es halt jedem recht machen, es sich mit niemandem vertun, nirgends anecken. Das mag mitunter taktisch klug sein, der Weg Jesu ist es aber fraglos nicht und die Glaubwürdigkeit schwindet.

Ist die Kirche modern genug, hat sie genügend Antworten auf die heutige Zeit?
Wer ist die Kirche? Das sind wir grundsätzlich alle. Die Frage müsste vielmehr lauten: Haben jene Menschen, die die Kirche offiziell vertreten, adäquate Antworten auf die Fragen unserer Zeit? Nun, wenn ich da nur an die zahnlosen Appelle seitens der Bischofskonferenz an die Bundesregierung bezüglich der Aufnahme von Kindern aus Moria denke, dann werde ich sehr nachdenklich. Vielleicht ist gerade das mit ein Grund, warum sich so viele von der Kirche abwenden. Vielfach sind die Antworten zu weichgespült. Die Kirche will es halt jedem recht machen, es sich mit niemandem vertun, nirgends anecken. Das mag mitunter taktisch klug sein, der Weg Jesu ist es aber fraglos nicht und die Glaubwürdigkeit schwindet.

Was nach wie vor stark in der Kritik steht, ist der Zölibat. „Jemand ohne Kinder oder ohne Familie kann viele familiären Probleme einach nicht nachvollziehen“, sagen viele. Wie stehen Sie zum Zölibat?
Ich denke, dass es höchst an der Zeit wäre, den Zölibat freizustellen. Beide Lebenentwürfe sollten im PriesterInnenamt Platz haben. 

Ich bin überzeugt, dass Gott schon längst auch verheiratete Frauen und Männer zum Priesteramt berufen hat. Leider hat er aber vorher nicht in Rom nachgefragt, ob er das auch darf.

Pfarrer Franz Zeiger

Warum gibt es denn so wenige Priester? 
Weil eine große Anzahl an Menschen ganz einfach nicht zugelassen wird. Ich bin überzeugt, dass Gott schon längst auch verheiratete Frauen und Männer zum Priesteramt berufen hat. Leider hat er aber vorher nicht in Rom nachgefragt, ob er das auch darf. Genau hier liegt ja auch der Hund begraben. Wenn kein Pfarrer mehr vor Ort ist – geplant ist in unserer Diözese, dass aus 487 Pfarren nur mehr 40 werden sollen –, dann kann man eben nicht nahe bei den Menschen sein. Ein Großpfarrer, der dann 10 bis 15 Teilgemeinden, wie das dann im Neusprech heißt, leitet, kann die Menschen doch nicht mehr persönlich kennen. Das ist ein Ding der Unmöglichkeit. Wer eine Gemeinde leitet, muss auch mit allen Befugnissen eines Pfarrers ausgestattet werden. Anders wird das nix.

Ich habe einige Mitarbeiter, die offiziell nicht der Kirche angehören, aber sehr engagiert in der Pfarre sind.

Pfarrer Franz Zeiger

Sind ausgetretene Christen „schlechtere“ Gläubige?
A geh, woher denn. Ich habe einige Mitarbeiter, die offiziell nicht der Kirche angehören, aber sehr engagiert in der Pfarre sind. Ein Sprichwort sagt. „Wenn Gott den Menschen misst, legt er das Maßband nicht um den Kopf, sondern um das Herz“. Gott schaut auf das, was wir tun. Christsein stellt sich letztlich nur durch Taten unter Beweis. Wie das geht? Jesus hat es einmal so kurz und prägnant zusammengefasst, dass es wirklich alle kapieren müssen: „Liebt einander!“ So einfach wär’s.

Welche „Nachteile“ haben aus der Kirche Ausgetretene?
Sie können beispielsweise kein Patenamt übernehmen. Das ist schon recht schmerzlich. Ich höre oft: „Ich bin ja katholisch getauft und gefirmt – ich habe mich nur vom Zahlen abgemeldet.“ Das sollte uns schon zu denken geben!

Wie gehen Sie mit Mitbürgern um, die aus der Kirche austreten, aber trotzdem in die Kirche kommen?
Was für eine Frage – so wie mit allen anderen selbstverständlich. Oft weiß ich das auch gar nicht. Es hat ja niemand ein Schilderl „bin ausgetreten“ ungehängt.

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