„Graz nimmt Abschied vom Song Contest-Traum“ schreibt die gewöhnliche gut informierte Kleine Zeitung aus der Steiermark. In Graz hat die Politik nach dem Amoklauf keine große Freude mehr an einer möglichen Bewerbung zur Austragung des ESC 2026. Bleiben als ernstzunehmende Bewerber noch Wien, Innsbruck und Linz/Wels übrig – könnte aber auch gut sein, dass ORF-intern bereits alles in Richtung Wien ausgeschnapst ist…
Die Host City hat um die 65 Millionen Euro an Kosten zu tragen – so viele Millionen kostete der Bling-Bling-Event jedenfalls heuer Basel – eine City, die mit 173.000 Einwohner ein gutes Eck kleiner ist als Linz. Wie OÖs Landeshauptstadt und das sparbewusste Wels diese Summe für eine einzige Veranstaltung stemmen wollen, scheint angesichts der klammen Kassen illusorisch. Erst letzte Woche hat etwa Bürgermeister Didi Prammer verkündet, dass Linz bei den Ermessensausgaben acht Millionen Euro einsparen will – oder besser gesagt muss, um nicht noch tiefer ins Minus zu rutschen.
Dass unter der Hand ohnehin bereits alles beschlossene Sache ist und wie zu erwarten wieder Wien zum Zug kommt, ist nicht ganz von der Hand zu weisen: So wurde etwa eine zeitgleich geplante Großveranstaltung, die internationale Audio-Messe „High End Vienna 2026“, bereits um eine Woche auf den 4. bis 7. Juni 2026 verschoben (ursprünglicher Termin war der 28. bis 31. Mai 2026)…
Kommentar
Linz/Wels sollte wie Graz ebenfalls bereits jetzt den Stecker ziehen und auf eine Bewerbung (die in ihrer Auslobung samt Präsentation vermutlich auch nicht ganz billig ist) zur Austragung des ESC 2026 verzichten. Erstens ist es kaum zu verantworten, 50, 60 oder gar 70 Millionen Euro in einen einzigen Event zu stecken – herbeifabulierte Umwegrentabilitäten im hohen zweistelligen Millionenbereich hin oder her.
Zweitens halte ich den ständig bemühen hohen Werbewert des ESC, der der Host City zuteil würde, für völlig übertrieben – oder haben Sie seit dem letzten Song Contest ein erhöhtes Bedürfnis, und beschaulich-langweilige Basel reisen zu wollen?
Und drittens: Wozu der Aufwand? Wien macht sowieso das Rennen, sitzt dort doch der gesamte aufgeblähte ORF-Apparat samt allen Liebkindern, Einflüstern und Entscheidern. Und vielleicht gegen diese Phalanx ein finanzielles Hochlizitieren des Bewerbungsabgebots mitzumachen? Nö Danke.
Mit 60 Millionen lässt sich künstlerisch weit mehr bewegen als ein musikalischer, ziemlich fragwürdiger und endenwollend wertvoller Klamauk-Wettbewerb, der in Teilen einer Freakshow gleicht. Man könnt zum Beispiel die Klangwolke wieder auf ein herzeigbares, international beachtetes Level heben. Die weltweit bekannte Vorzeigeveranstaltung made in Linz wird heuer bekanntlich leider kaputtgespart und verkommt zur Provinzveranstaltung, bei der die Besucher 2025 mit Topfschlagen begleitend zu Tonbandmusik für besondere Effekte sorgen sollen…