Fast 150 Tage steht Österreich nun ohne Regierung da – und dass das so ist, daran haben ausnahmslos alle im Parlament vertretenen Parteien emsigst mitgewirkt. Am Ende des Tages wird nun wohl irgendwas zusammenschustert, das allerdings unter dem Titel (Aller)kleinster gemeinsamer Nenner subsumiert werden kann. Es zeigt sich einmal mehr, dass das vorhandene System immer weniger funktioniert. Und es allerhöchste Eisenbahn ist, etwas grundsätzlich Neues anzudenken. Ein Mehrheitswahlrecht oder eine Minderheitsregierung gelten hierzulande nach wie vor als Blasphemie, dabei könnte genau das die Lösung des Problems sein für den unsäglichen Stillstand, der in elementaren Fragen mittlerweile seit Jahrzehnten vorherrscht.
Koalitionsverhandlungen und die daraus entstehenden Programme gleichen dem lustigen Sandkuchenspiel: Jeder gräbt mit seinem Schauferl ein kleines Stück weg, bis am Ende so gut wie nix mehr übrig ist und alle das dann als Erfolg bezeichnen. Subsumiert wird das Ganze dann als „Kompromiss“,der stets als die einzig denkbare Essenz der wahren Demokratie abgefeiert wird.
Aber was soll das für eine Lösung sein, bei der eine Idee, ein neues Gesetz oder eine Forderung von den jeweiligen Koalitionspartnern und Interessensvertretungen so lange schlechtgeredet, bearbeitet und zurechtgebogen wird, bis das Endergebnis niemandem mehr weh tut, vom Ursprungsgedanken so gut wie nix mehr übrigbleibt und jeder Einspruch komplett in Watte gepackt wurde. Zufrieden ist mit der ausverhandelten Minimallösung am Ende zwar keiner, aber Hauptsache das Gegenüber hat nicht das bekommen, was es wollte. So geht Kompromiss – und das seit Jahren, ja Jahrzehnten.
Brüssel zeigt vor, was mit Kompromisslösungen alles verunmöglicht wird. Bestes Beispiel ist das Herumeiern in der Asylfrage, bei der sich speziell Österreich und Deutschland extrem schwer tun, echte Lösungen auf den Weg zu bringen. Auch der EU-Asylpakt, der erst 2026 in Kraft treten soll, ist nicht viel mehr als ein „Kompromisschen“. Kein Wunder, dass gleich 15 Mitgliedstaaten gleichzeitig mit dem Beschluss den dringende Wunsch geäußert haben, die illegale Migration noch stärker einzudämmen.
Höchst an der Zeit wäre es, den Versuch einer Minderheitsregierung zu wagen. Dann würde auch dem Grundgedanken der Demokratie endlich wieder Rechnung getragen werden. Die stimmenstärkste Partei müsste dann für jede ihrer Ideen werben und sich eine Mehrheit suchen – ebenso wie jeder andere Partei. Das Parlament wäre dann endlich von seinen sinnlosen ketten befreit, am besten wirft man auch gleich den (eigentlich ohnehin illegalen) Klubzwang bei Abstimmungen mit über Bord.
Charme hätte auch ein Mehrheitswahlrecht statt dem aktuellen Verhältniswahlrecht. Dabei werden die Mandate nicht verhältnismäßig nach dem Stimmenanteil vergeben. Vielmehr steht in jedem Wahlkreis nur ein Kandidat pro Partei zur Wahl und jener mit den meisten Stimmen erhält das Mandat. Alle anderen Stimmen verfallen gemäß dem „The Winner takes it all“. Bekannt ist diese Prinzip vor allem bei der Wahl zum Präsidenten der Vereinigten Staaten.
Interessant wäre auch das sog. „minderheitenfreundliche Mehrheitswahlrecht“. Dieses sieht vor, dass die stimmenstärkste Partei automatisch 51% der Mandate erhält. So wäre gewährleistet, dass der Wahlsieger gemäß seinem durch den Wähler zugeteilten Auftrag auch seine Versprechen und Ziel umsetzen kann. Unbotmäßiges ließe sich vom Wahlsieger mit dieser Lösung nicht allzuviel, denn: Für wichtige Gesetzte bräuchte es nach wie vor eine Zweidrittelmehrheit.
Was auf jeden Fall besser heute als morgen neu gedacht gehört: die Dauer der Legislaturperiode. Im Bund beträgt diese fünf Jahre, auf Landes- und Gemeindeebene gar sechs. Dieser lange Zeitraum ist absolut aus der heutigen schnelllebigen Zeit gefallen. Sechs Jahre – das ist eine halbe Ewigkeit, Fehlentwicklungen ließen sich da lange nicht korrigieren oder „wegwählen“. Man stelle sich vor, die deutsche rot-grüne Regiering dürfte nach den in nur dreieinhalb Jahren verursachten Kollateralschäden noch zwei Jahre weiter regieren. Vier Jahre Wahlperiode nach deutschem oder amerikanischem Vorbild wären höchst an der Zeit. Speziell die USA zeigen, wieviel Dampf und Weiterentwicklung in vierjährigen Legislaturperioden drinsteckt.