“Wir sind eine Partei der Mitte, die mehr nach rechts als nach links wirkt”
Vizebürgermeister Bernhard Baier zwang Klaus Luger von der SPÖ 2015 mit 39% in die Stichwahl um den Bürgermeistersessel. Baier wird auch 2021 wohl der große Gegenspieler von Luger sein. Im LINZA-Talk spricht Baier über die letzten fünf Jahre im Rathaus – und warum die Stadt Linz keine rote Bastion mehr ist.
2021 wird in Linz wieder gewählt – wie gut steht Linz nach den letzten fünf Jahren aus Ihrer Sicht da?
Viele Menschen leben gerne hier, sehen die Zukunft aber in Gefahr. Der Grund ist, dass viele große Probleme ungelöst sind – etwa die Verkehrssituation, die Finanzen oder die Sicherheit. Insofern verstehe ich es, wenn die Linzerinnen und Linzer mit gemischten Gefühlen in die Zukunft blicken.
Und wie lautet die persönliche Bilanz Ihrer Arbeit der letzten fünf Jahre?
Die Hälfte der Zeit habe ich das Kulturressort verantwortet, die andere Hälfte dann Wirtschaft und Märkte. Ich bin durchaus zufrieden – es ist gelungen, wesentliche Projekte in die Umsetzung zu bringen. Wir haben ein gutes Fundament erstellt, auf dem wir weiter aufbauen können.
Linz wird seit 1949 durchgehend von der SPÖ regiert. Ist es realistisch, dass diese “Rote Bastion” 2021 fällt?
Die SPÖ hatte 2015 noch 32 Prozent Wähleranteil – insoferne würde ich weniger von einer Bastion sprechen. Für Prognosen zur Wahl im Herbst 2021 ist es aber noch zu früh.
Rot-Blau wird sich als Mehrheit im Gemeinderat künftig wohl nicht mehr ausgehen, Rot-Türkis aber sehr wohl. Gibt es aus Ihrer Sicht die Basis einer Zusammenarbeit – oder gar mögliche gemeinsame Ziele mit der Luger-SPÖ?
ich hoffe sehr, dass sich Rot-Blau nicht mehr ausgeht, weil diese Farbkombination der Stadt nicht sehr gut getan hat. Ich denke an die aufgestauten Verkehrsprobleme, die maroden Stadtfinanzen und die Probleme bei der Sicherheit. Mit uns als ÖVP kann es eine Zusammenarbeit mit wem auch immer geben – wenn man bereit ist, die Probleme der Stadt auch wirklich anzupacken und an echten Lösungen zu arbeiten.
Türkis-Blau scheint aber etwas zu sein, das gar nicht zusammenpasst – und wo es wohl auch nach 2021 keine Zusammenarbeit geben wird. Baier und Hein werden wohl keine besten Freunde mehr?
Ich nehme für uns in Anspruch, dass wir im Gegensatz zur FPÖ einen sachlichen Diskurs pflegen. Das dürfte aber einer gewissen Nervosität geschuldet sein, weil halt die blauen Umfragewerte nicht so sind, wie sie sich manche erwarten. Aber in einer Demokratie ist klar: Eine Gesprächsbasis ist immer wichtig, diese pflege ich zu allen Parteien.
In Sachen Spitzenkandidat haben sich alle Gemeinderatsparteien bereits festgelegt – bis auf die Linzer ÖVP, die sich bis Frühsommer 2021 Zeit lassen will. Bitte um Aufklärung.
Der Wahlkampf hat für mich noch nicht begonnen, daher stellt sich die Frage einer vorgezogenen Nominierung nicht. Aber man kann davon ausgehen, dass der Spitzenkandidat der ÖVP wieder der Bernhard Baier sein wird.
Sie waren auch derjenige, der 2015 Klaus Luger in die Stichwahl gezwungen und dort ein sehr repektables Ergebnis geholt hat. Wird die ÖVP bei geicher Konstellation versuchen, die anderen Parteien mittels Wahlempfehlung für Sie an Bord zu holen, um den Bürgermeistersessel zu erobern?
Wenn es so kommen sollte, freue ich mich über jede Unterstützung – von welcher Seite auch immer. Es war letztes Mal schon so, dass etwa Lorenz Potocnik von NEOS eine Wahlempfehung für mich abgegeben hat. Aber darüber zu spekulieren ist zu früh, wir sind von einer Stichwahl noch weit entfernt.
Ihr Parteikollege und Finanzminister Gernot Blümel hat die ÖVP im Rahmen des Wien-Wahlkampfs als “Mitte-Rechts-Partei” tituliert. Wo verorten Sie die Linzer ÖVP?
Ich denke, dass diese Einschätzung durchaus richtig ist. Wir sind eine Partei der Mitte, die mehr nach rechts als nach links wirkt.
Von null bis 100: Wieviele Meter rechts von der Mitte steht die Linzer ÖVP?
Das ist eine theoretische Debatte, viele Menschen wollen sich nicht mehr in rechte oder linke Schubladen einteilen lassen. Es geht vielmehr um Themen und Inhalte, das sind viel zentralere Wahlmotive.
Nach der Wahl 2015 hat die Linzer ÖVP einen Bogen um das heikle, aber medienwirksame Infrastruktur-Ressort gemacht und dieses der FPÖ überlassen. Man hat sich eher um “Wohlfühl-Agenden” wie Tourismus, Kultur und die Märkte gekümmert. War das im Rückspiegel betrachtet nicht ein Fehler?
Das Verkehrsressort haben wir deswegen nicht beansprucht, weil wir in puncto Eisenbahnbrücke für eine andere Lösung eingetreten sind. Deswegen war ich damals der Ansicht, dass dieses Konzept von der SPÖ, die den Abriss wollte, umgesetzt hätte werden müssen. Im Bereich Kultur und Wirtschaft haben wir auch sehr viel Handlungsspielraum gehabt, um uns entsprechend profilieren zu können.
Welche Aufgaben würden Sie denn nach der nächsten Wahl reizen?
Wir werden ganz sicher in allen Bereichen Vorschläge unterbreiten. Es hängt natürlich viel vom Wahlergebnis ab – und auch dem Willen anderer Parteien, ein tragfähiges Arbeitsprogramm zusammenzustellen. Erst dann geht es um Ressortverteilungen – nicht umgekehrt. Die Schwerpunkte sind für uns aber klar: Verkehr, Sicherheit und Finanzen.
Was würden denn Sie als Linzer Bürgermeister grundsätzlich anders machen?
Zum einen den Punkt Sicherheit und öffentliche Ordnung. Hier braucht es gerade in Linz klarere Regeln im öffentlichen Raum – ich denke da an die Sicherheitssituation in Parks, den Unterführungen oder am Bahnhof. Hier sollten wir endlich weg von einem Laissez-faire-Stil hin zu klaren Regeln und Grenzen. Das zweite sind die Finanzen. Hier ist es höchste Zeit, besser zu wirtschaften und mit unserem Haushalt ordentlicher umzugehen. Wir brauchen einen echten Konsolidierungskurs. Und drittens: die Stadtentwicklung. Da sollten wir neue Wege im Dialog mit den Bürgern erschließen, wohin sich die Stadt entwicklen soll.
Apropos Stadtfinanzen: Diese waren bereits vor der Corona-Krise gelinde gesagt “sanierungsbedürftig”. Jetzt kommen nochmals 80 oder mehr Millionen Euro an Einnahmenentgang dazu. Wie soll sich das die nächsten Jahre ausgehen?
Das wahre Ausmaß durch Corona-Krise ist noch gar nicht absehbar. Darum wird es keine andere Möglichkeit geben, als über Konsolidierungsmaßnahmen zu reden. Diese können nur eine Mischung aus Leistungseinschränkungen und Einsparungen sein.
Kommen wir zu einem aktuellen Problemfeld: dem Design Center, wo heuer von der Stadt einmal mehr siebenstellige Abgänge auszugleichen sind.
Die Situation im Design Center ist keinesfalls schönzureden, sondern sehr ernst. Einerseits, weil durch die Corona-Krise das Geschäftsfeld der Veranstaltungen und Messen entzogen wurde. Und andererseits, weil in der Vergangenheit manche Dinge nicht richtig gelaufen sind. Die Ursache liegt darin, dass man die LIVA- und die Design Center-Geschäftsführung in einer Person vereint hat und es zu einer Doppelbelastung kam. Das war mit Sicherheit die falsche Entscheidung.
Blenden wir die Corona-Krise aus: In Wirklichkeit ist das Design Center seit Jahren ein Dauerpatient. In der jetzigen Form hat das Haus zudem wenig Zukunft, denn Messen und Großveranstaltungen sind mittelfristig wohl keine Cashcows. Braucht’s in Wirklichkeit nicht eine komplette Neuausrichtung?
Ich denke, dass es auch in Zukunft Veranstaltungen und Messen geben wird. Geichzeitig brauchen wir auch neue Ansätze, etwa digitale Formate. Hier müssen wir reagieren und neue Fantasien entwicklen. Ein Verkauf macht überhaupt keinen Sinn, da es am Markt derzeit ja auch absolut keine Nachfrage nach Messezentren gibt.
Und eine alternative Nutzung des Design Centers – etwa als Markthalle, Ballsporthalle oder urbanes Zentrum, um nur einige mögliche Ideen zu nennen?
Dem erteile ich einen klare Absage. Die Stadt, die Hotellerie, die Wirtschaft und die Industrie brauchen ein großes Tagungs- und Veranstaltungszentrum.
Ein anderes Thema ist die Neugestaltung des Jahrmarktgeländes – Stichwort Donauinsel. Hier kam von der ÖVP bislang wenig Brauchbares.
Ich babe bereits vor 25 Jahren in der Jungen ÖVP an der Neugestaltung des Jahrmarktgeländes mitgearbeitet – insoferne kann ich als einer der Wenigen auf seine sehr lange Tradition verweisen (lacht). Leider sind die Dinge dort nicht so einfach machbar. Wenn man eine echte Lösung will, darf man den Jahrmarkt zudem nicht stiefmütterlich behandeln und so tun, als ob er “gnädigerweise” auch noch dort stattfinden kann. Der Jahrmarkt muss vielmehr in den Mittelpunkt dieser Neugestaltung treten. Eine besondere neue Perspektive wäre ein Übergang in Form eines Fußgänger- und Radfahrerstegs.
Der Urfahraner Jahrmarkt hat heuer zweimal abgesagt werden müssen. Führte daran kein Weg vorbei?
Angesichts der aktuellen Zahlen haben auch alle Kritiker eingestehen müssen, dass eine Absage unumgänglich war. Für das Frühjahr 2021 kann man noch überhaupt keine Prognosen abgeben. Ich kann nur sagen: Alles, was rechtlich möglich ist, sollten wir auch umzusetzen versuchen.
Und die Linzer Weihnachtsmärkte? Wird es hier Einschränkungen geben – wie etwa in Graz, wo Punschstände fehlen und auch nichts zum Essen angeboten wird?
Einschränkungen wird es geben, aber nicht in der Form, dass es keinen Alkohol oder kein Essen auf den Märkten geben wird. Das ist derzeit auch rechtlich zulässig. Wir arbeiten auch an einem Sicherheitskonzept, das gewisse Einschränkungen bringen wird. Dieses orientiert sich an den allgemein bekannten Regeln wie Abstand halten, Maskenpflicht, mengenmäßige Beschränkungen oder Einbahnregelungen.
Sie haben vor etwa zwei Jahren den Plan “1.000 neue Bäume für linz” ausgerufen. Wie lautet der Zwischenbefund?
Wir haben eine Analyse gemacht, in welchen Straßen realistischerweise Bäume gepflanzt werden können. Das haben wir dem Gemeinderat im Juli vorgelegt. Dieser hat draufhin zehn Straßenzüge beschlossen, die geplant und auch umgesetzt werden sollen. In dieser Phase befinden wir uns gerade, ich arbeite mit Hochdruck daran, dass wir im Frühling mit den ersten Baumpflanzungen beginnen können.
Die Linzer ÖVP hat ein neues Bürgerbeteiligungsmodell ins Leben gerufen. Worum geht’s da genau?
Wir haben ein neue Partizipationsmodell eingeführt, um den Dialog gerade in Zeiten von Corona hin zu den Bürgerinnen und Bürgern zu intensivieren. Dafür gibt es zwei Wege: einen Treffpunkt in den Stadtteilen, wo wir bei 30 Terminen in ganz Linz unterwegs sind und Meinungen, Ideen und Vorstellungen quasi “abholen”.
Zusätzlich haben wir die Plattform www.meinelieblinzstadt.at ins Leben gerufen, wo man online teilnehmen kann. Die eingereichten Projekte werden alle auf dieser Seite präsentiert, wo diese dann diskutiert und bewertet werden können. Anfang 2021 soll eine Jury die besten Projekte auswählen, für die Umsetzung werden wir uns ganz besonders einsetzen.
Letzte Frage – bitte diesen Satz komplettieren: “Ich wähle Bernhard Baier als Bürgermeister, weil…”
…er eine gute Arbeit geleistet hat, er nah am Bürger ist und man ihm die Führung der Stadt zutraut.
Mehr von Linz
Weiteres Linzer Hochhaus-Projekt auf Schiene
Mit den beiden Hochhaus-Projekten Quadrill Tower (109m) und ganz aktuell den "Tanzenden Türmen" (94m) bekommt Linz zwei weitere Höhe-Punkte in …
5 Jahre Stadtrat Michael Raml: “Ich will 2027 Linzer Bürgermeister werden!”
2009 zog er mit 21 Jahren als jüngstes Mitglied in den Linzer Gemeinderat ein, seit 2019 ist Michael Raml als …
Der Linzer Maibaum 2024 kommt aus Niederwaldkirchen
Jedes Jahr spendet eine andere oö. Gemeine den Linzer Maibaum. Heuer kommt er aus der Mühlviertler Marktgemeinde Niederwaldkirchen. Die 65 …