Der erste Urfahraner Jahrmarkt seit zweieinhalb Jahren ist so gut wie Geschichte – neben einem neuen Besucherrekord gab’s auch eine durchwegs positive Atmosphäre und eine sensationelle Stimmung, die alle Sorgen rund um Krieg und Corona (fast) vergessen ließen. Jetzt geht’s ans Notenverteilen. Musterschüler ist er keiner, der Urfix, aber das Zeugnis schaut gar nicht soooo schlecht aus. Auf geht’s:
Die Stimmung: 1
Irrrrrrrre! Wehe, wenn sie losgelassen: Noch nie war der Urfix so gut besucht wie heuer – selbst die traditionell schwachen Tage Montag, Dienstag und Mittwoch hatten eine exzellente Frequenz. Dazu passt auch, dass das Wetter großteils hielt. Es war ein fast ungetrübtes “Best of Urfix”!
Die Besucher: 2
Wir sagen mal so: Es war schon viel, viel schlimmer. Heuer waren überraschend viele junge Leut’ und Mädels mit Lederhosen und Dirndl unterwegs, auch Familien sah man selbst abends noch durch den Markt flanieren. Die in den letzten Jahren auffälligen Jugendgruppen (teils mit Migrationshintergrund) waren hingegen optisch kaum zu bemerken, auch gab es (gefühlt) weniger aufgeheizt-aggressive Stimmung oder Tumulte – die Polizei sah das laut ersten Rückmeldungen nicht so positiv. Aber mal sehen, was die noch ausständige Kriminalstatistik für Zahlen bringen wird.
Die Standln: 2-3
Top: die vielen Schießbuden und Süßwarenstände – jeder für sich nicht nur optisch eine Farbenpracht. Auch das kulinarische Angebot, das von Steckerlfisch über Bratwürstl mit Sauerkraut (Weltklasse übrigens), Raclettebrote, Asia-Spezialitäten, Brezen und und und reichte, ließ absolut keine Wünsche offen. Etwas dürftig war hingegen das Angebot für Vegetarier und Veganer.
Teilweise einmal mehr Creepy: die diversen Standeln mit gefälschten Markenmode, Mieder, Bundesheersocken und anderer Bekleidung. Braucht man so einen Schmonzens wirklich?
Die Fahrgeschäfte: 3
Dass jedes Jahr zumindest ein neues Fahrgeschäft präsentiert wird, ist eine gute Idee, aber zu wenig. Auch das Comeback von Retro-Attraktionen wie dem Tagada kam höchst formidabel an. Viel zu viel vom wenigen vorhandenen Platz wird nach wie vor für drei riesige Autodroms und die seit gefühlten hundert Jahren an ihrem Platz stehende Wasserbahn verbraucht. Mit letzterer fährt kaum jemand, weil man im schlechtesten Fall von oben bis unten nass wird und das nur ab 25 Grad Lufttemperatur als stimmungserhellend empfunden wird. Kurz: Beim Angebot gehört einfach mehr Wechsel her.
Die Ausstellungshallen: 4
Die Hallen im hinteren Bereich sind für den “Linzer Frühling” reserviert – ein Messe-Sammelsurium an allerlei Ausstellern ohne klare rote Linie. Obwohl dieser Bereich verhältnismäßig viel Platz einnimmt, verirrt sich kaum jemand dorthin – zu Recht, das dortige Angebot ist zeitlich aus der Zeit gefallen und wirkt mittlerweile auch deplatziert. Da gehört schleunigst eine Neukonzeption her – und nicht eine Jahr für Jahr fortgeschriebene “Das war schon immer so”-Denke.
Die Preise: 4
Fünf Euro für eine Fahrt, 5,80 Euro die Halbe im Festzelt, daneben im “Schmankerltreff” blecht man gar 6,50, ein halbes Grillhendl mit Pommes kommt auf 13,50: Wären die Leute nach vier Absagen nicht so hungrig auf den Urfix gewesen, hätten sie dem Festwirt seine Preise wohl zum die Ohren gehaut. Mit der Familie auf ein Hendl gehen – für viele nicht mehr leistbar, weil da schnell mal ein Hunderter ganz ohne Nebengeräusche weg ist. Oida, wo soll das noch hinführen?
Die Anreise: 5-
Kaum zu glauben, ist aber so: Selbst 205 Jahre nach seiner erstmaligen Austragung gibt es immer noch kein Verkehrsleitkonzept rund um den größten Jahrmarkt Österreichs. Das beginnt bei den fehlenden Ideen, den Autoverkehr vom Jahrmarkt fernzuhalten – was dazu führt, dass man mit dem PKW bis 5 Meter zum Festgelände heranfahren kann, obwohl es dort absolut keine Parkplätze gibt – und die Anrainer im Verkehr ersticken. Die nach Protesten aufgestellten (aber medial nicht kommunizierten) Fahrverbotsschilder verschlimmerten die Situation teilweise, weil niemand darüber informiert wurde.
Auch bei der Stadt und der LINZ AG verschläft man den Urfix Jahr für Jahr – warum bietet man zum Beispiel nicht ein vergünstigtes Besucherticket an? Selbst ein Fußball-Zweitligist wie FC Blau-Weiß Linz schafft es, für seine Besucher kostenlose Öffi-Tickets zu organisieren.
Und warum kooperiert die ARGE Urfahraner Jahrmarkt nicht mit dem Land und der ÖBB & bindet die S-Bahn-Linien oder Busanbieter ins Angebot mit ein (wie es etwa viele Konzertveranstalter auch machen)? Nur absahnen und mit den Preisen in die Höhe fahren ist zu wenig.
Ganz nebenbei passt dieser verlässlich regelmäßig zweimal jährlich wiederkehrende Verkehrskollaps nicht wirklich zum Thema Klimahauptstadt. Ein satter Fünfer ist da fast zu milde.
Gesamtnote: 3+
Schriftliche Beurteilung: Der Jahrmarkt ist ein lieber, schon etwas älterer Schüler, der leider etwas schwerfällig ist und mit dem Begriff Innovation ein bissl auf Kriegsfuß steht. Trotzdem ist er sehr beliebt, man mag ihn einfach. Wenn er in den nächsten Jahren seine Bequemlichkeit ablegt und die Chance ergreift, die ihm die Umgestaltung des Jahrmarktgeländes zu einem ganzjährigen Freizeitareal bietet, kann er noch mehr aus sich machen. Und beim Thema Verkehr würden ihm ein paar Nachhilfestunden nicht schaden. In Summe aber ganz brav, weiter so!
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