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„Die international überall gleiche Industrieküche, oft nicht mal in Österreich produziert, nimmt Überhand“

6. April 2021
in Events, Freizeit
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Seit November 2020 dauert der Lockdown in der heimischen Gastronomie nun bereits an. Eine der gewichtigsten Stimmen unter den Linzer Wirten ist Günter Hager mit seinem JOSEF auf der Landstraße. Nachdem er sich zuletzt etwas aus der Diskussion genommen hat, ist er jetzt wieder da.

Günter Hager, die Krise nimmt vor allem in der heimischen Gastronomie kein Ende, ein Re-Opening ist nach wie vor nicht in Sicht. Welche Stimmen hört man aus der Linzer Gastronomie – und wie geht’s Ihnen mit der aktuellen Situation?
Keine Frage, jeder Wirt will besser heute als morgen aufsperren. Und jeder Gast lechzt nach einem Besuch in der Gastronomie. Aber wenn man Realist bleibt und auf die aktuellen Zahlen blickt, weiß man, dass es noch keine Öffnung geben kann. Ich bin überzeugt: Hätten wir alle die Arschbacken zusammengekniffen, wären wir alle mal zwei Wochen zuhause geblieben und würden parallel die Impfungen forciert werden, würde alles besser ausschauen.

Wir haben Sie vorhin gerade beim Grübeln über der neuen JOSEF-Speisekarte ertappt. Als Überschrift ist „Mai 2021“ zu lesen. Wissen Sie schon mehr als wir alle?
Meine Prognosen sind so wie Ende letzten Jahres: Ich rechne mit Mitte Mai – allerdings nur, wenn wir die Zahlen in den Griff bekommen. Die Menschen wollen verständlicherweise nicht mehr mitmachen, vor allem jetzt wo es draußen wärmer wird. Ich habe dafür auch Verständnis, mir geht es doch genauso. Als Unternehmer mit 50 Mitarbeitern, die fast seit einem halben Jahr zuhause sitzen und darauf warten, endlich wieder arbeiten und auch Trinkgeld verdienen zu dürfen, sehe ich nur eine Lösung: Zusammenhalten, nochmal zwei Wochen durchdrücken und zuhausebleiben. Ich wäre daher nochmal für einen harten, zweiwöchigen Lockdown, um das Virus auszurotten.

Günter Hager über die Folgen der Corona-Krise: „Die alteingesessenen Wirte wie Freiseder, Lindbauer oder andere hören auf, während die Fastfood- und Systemgastronomie förmlich explodiert. Die international überall gleiche Industrieküche, die oft nicht mal in Österreich produziert wird, nimmt Überhand.“

Wird sich die Gastro-Szene mit dieser Krise nachhaltig ändern, wie von vielen befürchtet?
Das Ganze ist ja leider nur ein Teil einer riesigen „Gastro-Pandemie“, die mit dem Rauchverbot begonnen hat, wo 2.000 Betriebe auf der Strecke blieben. Die Registrierkassenpflicht hat weiteren enormen Schaden verursacht – und jetzt die Corona-Krise, die weiteren Betrieben den Garaus macht. Keine andere Branche musste so viele Änderungen, Einschränkungen und Krisen hinnehmen.

„Die Ess- und Tischkultur verschwindet immer mehr, viele Jugendliche können nicht mal mehr ordentlich mit Messer und Gabel essen.“

JOSEF-Wirt Günter Hager

Es gibt aber auch in der Gastronomie Krisen-Gewinner.
Das Traurige ist ja: Die alteingesessenen Wirte wie Freiseder, Lindbauer oder andere hören auf, während die Fastfood- und Systemgastronomie förmlich explodiert. Die international überall gleiche Industrieküche, die oft nicht mal in Österreich produziert wird, nimmt Überhand. Die Ess- und Tischkultur verschwindet immer mehr, viele Jugendliche können nicht mal mehr ordentlich mit Messer und Gabel essen.

Es steht zu befürchten, dass nach dem langen Abstinenz der klassischen Gastronomie viele Gäste für immer wegbleiben, weil sie sich an Lieferservices & Co. quasi gewöhnt haben.
Die Jungen betrifft das mit Sicherheit, die setzen ganz klar noch stärker auf Online- und Systemgastronomie. Die Älteren werden aber wieder kommen und Klassiker wie unser in Butterschmalz herausgebackenes Schnitzel „live“ bestellen. Und natürlich geht’s auch um die Kommunikation, das persönliche Treffen, das nicht aussterben wird. Das gibt’s bei der Systemgastronomie eben nicht. Was man gerne vergisst: Enorm viele Menschen leben indirekt von der Gastromie, Hotellerie und dem Tourismus mit – Bäcker, Fleischer, Handwerker, Skilehrer, Zimmermann, Landwirt, Architekt, Busfahrer, Modegeschäft und und und.

Das noch leere JOSEF während des Lockdowns. Mitte Mai könnte es aber wieder losgehen.

Sie haben sich als einer der wenigen Gastronomen dagegen gewehrt, Ihre Karten-Klassiker als Take-away anzubieten. Warum?
Wir können da mit der Systemgastronomie nicht mithalten, weil die Kosten dafür einfach zu hoch wären. Wenn wir die Küche samt allen Geräten und Personal hochfahren, ist das unrentabel. Wir können nur überlebne, wenn wir die Kosten soweit wie möglich im Griff haben. Und nicht zuletzt leidet auch die Qualität, wenn man das Essen zuhause halbwarm auspackt, verrutscht und unschön in einem Karton zusammengepresst. Das wird einer guten Gastronomie einfach nicht gerecht.

Viele Gastronomen haben die Zeit genutzt, um umzubauen und zu sanieren. Hat sich im JOSEF auch was getan?
Ja klar: Wir haben hunderte Liter Farbe gestrichen, alles von oben bis unten durchgeputzt, ein neues Empfangspult gebaut und auch den vorher bereits schönsten Gastgarten von Linz weiter aufgepimpt.

Es wird gemunkelt, die JOSEF-Karte könnte nach der Krise in eine andere Richtung gehen.
Nein, wir werden bewusst auf die Klassiker wie das JOSEF Reindl, das JOSEF Biergulasch oder das in Butterschmalz gebratene Wienerschnitzel setzen, weil ich glaube, dass unsere Gäste nach dieser langen Zeit keine Experimente wollen, sondern genau das, worauf sie so lange verzichten mussten.

Und das JOSEF selbst bleibt, wie es war?
Im Herbst steht die Übergabe des Betriebes an meinen Sohn Andreas an, er brennt richtiggehenden darauf, das Ruder übernehmen zu dürfen. Andreas spielt mit dem Gedanken, zusätzlich einen JOSEF CLUB (Arbeitstitel) einzurichten. Das ist aber noch Zukunftsmusik.

Sie wollen heuer das JOSEF tatsächlich an Ihren Sohn übergeben? Das JOSEF ohne den herumwuselnden Günther Hager, der für jedermann Zeit auf ein kurzes Gespräch hat, selber Gläser abräumt, Bier zapft und immer da einspringt, wo Not am Mann ist: Eigentlich undenkbar, oder?
Solange die Flüge in meine zweite Heimat am Himalaja nicht möglich sind, muss ich wohl oder übel noch bleiben (lacht). Im Ernst: Ganz aufhören werde ich nie, aber ich werde mich sehr zurücknehmen und viel Zeit bei meinen Freunden in Nordindien verbringen.

Was wird Ihre erste Tätigkeit sein, wenn das JOSEF wieder aufsperrt?
Die ersten Tage wird es rundgehen, unsere Stammgäste brennen auf einen Besuch bei uns. Das wird positiver Stress pur für mich. Ich bin nur gespannt, welche Auflagen sich die Regierung wieder einfallen lassen wird, um uns das Leben schwer zu machen. Mit Maske und Freitesten könnten wir mittlerweile leben, aber wer weiß was da noch alles kommt.

Wilhelm Holzleitner


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