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18. März 2022
in Meinung
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Übertriebenes Fingerspitzengefühl kann man den Verantwortlichen beim Land OÖ wohl nicht vorwerfen, wenn ausgerechnet ein langjähriges ÖVP-Mitglied und der Chefredakteur der ÖVP-Zeitung Volksblatt nach einem durchgeführten „Objektivierungsverfahren“ den Leitungsposten beim Landespressedienst bekommt. Völlig ohne Not wird dadurch nicht nur einmal mehr die Politik, sondern auch der neue Landespressechef Christian Haubner beschädigt.

Es erschreckt fast, wie selbstverständlich und auch selbstbewusst so eine Personalentscheidung in Zeiten von Korruptionsausschuss und Diskussionen um Freunderlwirtschaft nicht nur in Erwägung gezogen, sondern dann auch präsentiert wird. Christian Haubner, seit 20 Jahren treuer Mitarbeiter beim ÖVP-Volksblatt und mindestens ebenso lang ÖVP-Mitglied, hat damit den wichtigsten Pressejobs des Landes übernommen. Künftig wandern über Haubners Tisch sämtliche Presseaussendungen des Landes Oberösterreich (auch jene von Landesräten anderer Couleurs), er darf inhaltlich sogar eingreifen.

Landeshauptmann Thomas Stelzer nennt Haubner „einen absoluten Medienprofi“. Wenn man mit bald 50 noch nie das wohlgehütete ÖVP-Umfeld und den politisch eher monochromen Redaktionsalltag des Volksblattes verlassen und niemals andere Medien, Meinungen und Arbeitsweisen von wirklich unabhängigen Redakteuren erlebt und auch gelebt hat, ist der Begriff „Medienprofi“ bei aller persönlicher Sympathie möglicherweise irreführend.

Möglicherweise hätte ein Kandidat mit mehr Erfahrung in verschiedenen Medienhäusern und mit weltoffenerem Werdegang (und vor allem ohne Parteibuch mitsamt einer in Jahrzehnten gewachsenen Patina) dem Amt besser getan. Auf der journalistischen Haben-Seite des neuen, 47-jährigen Landespressechefs stehen laut Presseaussendung immerhin „diverse Führungspositionen im oberösterreichischen Volksblatt„.

Dass die ÖVP ihren aktuell etwas ramponierten Ruf in Sachen Korruption & Freunderlwirtschaft damit weiter festigt, lässt die politisch klare Nummer 1 im Land OÖ ganz augenscheinlich kalt. Und damit aber auch, dass das allgemeine Ansehen und das Vertrauen in die Politik weiter schrumpfen.

Hätte es die ÖVP wirklich ernst gemeint mit dem Kampf gegen die unseligen Vorwürfe der letzten Monate, hätte sie das treue Parteimitglied Haubner ermutigt, nicht für den Posten zu kandidieren und ihn stattdessen anderswo untergebracht – wenn er sich schon vom top-bezahlten und bis zur Pensionierung „unkündbaren“ Job eines Volksblatt-Chefredakteurs weg verbessern will. So aber hat man nicht nur die Partei, sondern auch Haubner beschädigt. Die Freunderlwirtschafts-Punze wird er gerade in seinem neuen Job nicht mehr los. Es wird spannend zu beobachten sein, wie jemand, dem in seiner journalistischen Laufbahn noch keine kritische Zeile über die regierende Volkspartei aus der Feder floss, seinen neuen Medien-Job unabhängig erledigen will – auch wenn der Spielraum diesbezüglich beschränkt ist.

Ganz abgesehen davon wurde eine große Chance vertan: Ein wirklich unabhängiger Kandidat hätte der LH-Partei auf dem Sessel des Landespressechefs gar nicht weh getan. Er hätte aber eine neue Ära einleiten können – oder der ÖVP zumindest einen entsprechenden Willen nach Veränderung attestiert.

PS: Falls jemand keinen Kalender zur Hand hat: Wir schreiben aktuell nicht das Jahr 1970, sondern 2022.

Titelfoto: Röbl

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