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Bulgariplatz: Grünes Zentrum statt „Autodrom“

15. September 2021
in Freizeit, Linz
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Als der Bulgariplatz im Jahr 1903 in der Linzer Vorstadt als „Oktagonplatz“ angelegt wurde, dachte wohl niemand daran, dass er fast 120 Jahre später als Rennstrecke, Autodrom und Verkehrshölle ohne jede Lebensqualität enden würde. Der fünfte Linzer Innovationswettbewerb nahm sich dieses Problems an – mit spannenden Ideen für eine Neugestaltung des Platzes. 34 Einreichungen brachten zukunftsweisende Ergebnisse, insgesamt 16.000 Euro wurden an Preisgeld ausgeschüttet. Jetzt ist der Gemeinderat am Zug, den dichtbefahrenen Platz, an dem sieben Durchzugsstraßen aufeinandertreffen, nachhaltig zu „entschleunigen“ und zu einer bewohnerfreundlichen Zone weiterzuentwicklen. 

Die Begriffe „Autodrom“ oder „Verkehrshölle“ treffen es wohl am ehesten, wenn man über den Linzer Bulgariplatz spricht: Die sieben Zu- und Abfahrten teilen diesen Ort in viele kleine, nicht nutzbare Inseln. Die über den Platz führenden Straßen sind alle als breite Einbahnen ausgelegt – entsprechend schnell sind hier die Autos unterwegs. Für die Anrainer wirkt der Bulgariplatz abstoßend, ein Überqueren ist nur mit Umwegen und Ampeln möglich. Auch die Straßenbahn, die erst knapp hinter dem Platz in den Untergrund abtaucht, durchschneidet das Areal, das das Potenzial zu einem echten Stadtteilzentrum hätte.

Stadtentwickler, Gemeinderat und Innovationswettbewerb-Erfinder Lorenz Potocnik: „Der rund 15.000m2 große Bulgariplatz – das entspricht etwa zwei Fußballfeldern – muss völlig neu gedacht werden. Mit mehr Grün, Rückzugszonen und einer höheren Aufenthaltsqualität.“ Gelingen könnte das etwa mit einer Neugestaltung und verringertem Straßenanteil: „Das würde Tempo aus dem Verkehr nehmen und eine völlige Neugestaltung des kreisrunden Platzes mit 140 Metern Durchmesser ermöglichen“, sagt Gemeinderatskollegin und Landschaftsplanerin Olga Lackner.

Der Bulgariplatz aus der Luft: Sieben Straßen treffen hier zusammen.

Im Juli 2021 riefen Lorenz Potocnik und Olga Lackner daher zum Linzer Innovationspreis für Stadtentwicklung, der eine Lösung für den „Problemfall“ Bulgariplatz bringen sollte. Ziel: das schlummernde Potential des Bulgariplatzes heben. „Die Vorgaben waren dabei bewusst offen gehalten, aber ein besonderes Augenmerk auf den Gewinn an Freiflächen, zusätzlicher Begrünung, Aufenthaltsqualität, sanfte Mobilität sowie den Fuß- und Radverkehr waren ausdrücklich erwünscht“, so Olga Lackner und Lorenz Potocnik. 

Die Teilnehmer am Linzer Innovationspreis erkannten die enormen Möglichkeiten des Platzes: „Es gab 34 Einreichungen, viele davon äußerst professionell und bis ins Detail ausgeführt“, so Lorenz Potocnik. Mitgemacht haben nicht nur Planer aus dem Bereich Landschaftsplanung und Architektur, sondern auch Bürger:innen und Anrainer:innen jeden Alters. Auch Maja Bojanic, eine junge HTL-Absolventin brachte eine Lösung ein, die staunen lässt. Am Ende wurden 15 Einreichungen mir je 600 Euro Anerkennungspreis bedacht, sieben davon erhielten zusätzlich einen Sonderpreis in Höhe von je 1.000 Euro. Nahezu alle Einreichungen hatten eines gemeinsam: „Alle hatten die große Vision, mehr Lebensqualität, mehr Grün und mehr Platz für Fußgänger und Radfahrer auf den Platz zu bringen“, so Olga Lackner.

Aktuelle Verkehrsführung wird kompromisslos in Frage gestellt
Die prominent besetzte Jury – u.a. mit dem renommierten Architekten Andreas Kleboth und Verkehrsplaner Helmut Koch (komobile) – fokussierte sich dabei auf Kriterien wie die Infragestellung innerstädtischer Schnellstraßen und die Erhöhung des Grünfaktors und damit der Aufenthaltsqualität / des Stadtklimas sowie der Zuordnung von Freiräumen zu den umliegenden Häusern: „Wichtig waren uns auch Impulse zur Stärkung der Rad- und Fußmobilität und die Verkehrs-Relationen in Frage zu stellen: Brauchen wir dort wirklich alle derzeit bestehenden Straßen und Abzweigungen?“, so die Vorgabe von Jurymitglied Kleboth.

Grün rein, Verkehr raus
Beeindruckt war die Jury u.a. von der Idee des Linzers Hans Hörlsberger – sein Konzept einer vereinfachten Straßenführung ließe sich ohne allzu große bauliche Maßnahmen und Eingriffe sofort umsetzen: „Durch Reduktionder Fahrbahnbreiten und den Verzicht auf einige Fahrspuren – etwa die über 130m lange Beschleunigungsspur ab der Einmündung der Breitwiesergutstraße bis weit in die Wankmüllerhofstraße hinein –  ließen sich große asphaltierte Flächen einsparen und größere zusammenhängende Grünflächen gewinnen“, so Hörlsberger zur Grundidee seines Konzepts. 

Entwurf von Hans Hörlsberger, der eine Reduktion der Fahrbahnbreiten vorsieht.

Anrainerin Karin Bodingbauer schlägt in ihrer Idee vor, die Straßenbahn bereits vor dem Bulgariplatz unter der Erde verschwinden zu lassen und die Wienerstraße auf einer Art Brücke über den Platz zu führen. Und die HTL-Absolventin Maja Bojanic will den Bulgariplatz gleich zu einem zweiten Linzer Hauptplatz machen – mit einem zweispurig geführten Kreisverkehr und Tempo 30, während in der Platzmitte ein großzügiger Park entstehen soll.

Anrainer Peter Bradley schlägt vor, die Alte Eisenbahnbrücke, von der immer noch ein Bogen im Hafen lagert, mittels Upcycling am Bulgariplatz einzusetzen und die urbanen Bereiche in vier Ringe zu gliedern: Gebäudering, Baumring, kleiner Kreisverkehr mit Radweg und ein Kreiszentrum unter dem Motto „As Green as we can“. Illustriert hat er seine Idee in Form einer fiktiven Postkarte aus dem Jahr 2031.  

Peter Bradleys „Zukunftspostkarte“ aus dem Jahr 2031.

Am meisten Grünanteil hat Michael Strahberger in sein Konzept für den Bulgariplatz gepackt: Er sieht einen verkehrsberuhigten Kreisverkehr mit grüner Mitte vor, der Verkehr wird dabei tiefergelegt. Die viel befahrenen Durchzugsstraße und die Querstraßen werden so in einem Unterführungsnetz unter den Platz geleitet. Alle anderen einmündenden Straßen sind durch einen urbanen Ring verbunden. Dieser zeichnet sich aus durch eine Allee mit Großbäumen, einer Verkehrsberuhigung durch Tempo 30, Schanigärten, ein radfahrerfreundliches Ambiente und eine einheitliche Oberflächengestaltung aus. „Die nördliche Wienerstraße hat schon jetzt Potenzial zur verkehrsberuhigten Flanierstraße, was durch eine Trennung von der Hauptverkehrsader noch weiter gefördert werden soll“, so Strahberger.

Daniel Michael Binders Idee eines „neuen“ Bulgariplatzes.

Von hoher Professionalität gekennzeichnet ist die Einreichung von Daniel Binder und Lukas Litzlbauer. Sie wollen einen tiefer gelegten Kreisverkehr schaffen: „Durch die Verlagerung der Verkehrsflächen in die Randzone entsteht ein kreisrundes Areal mit einem Durchmesser von rund 100 Metern, das eine Vielzahl an Bespielungenzulässt. Um einen negativen Einfluss durch die Straßen zu vermeiden, werden diese um eine Ebene tiefer gelegt und mittels Abfahrtsrampen an die Straßenachsen angebunden.“ Höhepunkt des visionären Plans: Die angrenzende Wienerstraße wird zur autofreien Flaniermeile.

Pi(a)zza Bulgari mit vielen Zutaten
Die originellste Einsendung kam von Thomas Hofer: die „Pi(a)zza Bulgari“: Er schlägt damit eine Umgestaltung in eine Piazza nach italienischem Vorbild vor – und lehnt sich dabei an die auf der Hand liegende Form einer Pizza an: Der Rand nimmt dabei den Verkehr auf, der mit reduzierter Geschwindigkeit geführt wird. Den weiteren „Belag“ der Pi(a)zza soll in einem kooperativen Verfahren mit allen Beteiligten festgelegt werden. 

Schmeckt: Lorenz Potocnik mit der „Pi(a)zza Bulgari“ von Thomas Hofer. 

Umsetzung der besten Ideen wird angestrebt
Unter dem Strich ist diese Fülle an teilweise bis ins Detail ausgearbeiteten Ideen ein perfekter Nährboden, um aus dem Bulgariplatz ein innovatives, urbanes Stadtteilzentrum mit hoher Lebensqualität zu machen. Die Innovationspreis-Organisatoren Lorenz Potocnik und Olga Lackner nehmen den Ball auf und setzen alles daran, die Pläne umzusetzen: „Die Stadt Linz hat den Bulgariplatz, aber auch die angrenzende Wienerstraße einfach nicht am Radar. Diese Nichtbeachtung haben sich die vielen hier lebenden Menschen nicht verdient. Werden wir am 26. September wieder mit einem entsprechenden Rückhalt in den Gemeinderat gewählt, sorgen wir dafür, dass der Bulgariplatz ganz oben auf der Agenda steht.“

Als ersten Step soll nach der Wahl das für die Verkehrsplanung zuständige Stadtsenatsmitglied eine entsprechende Studie auf den Weg bringen. Bereits vorher planen Lorenz Potocnik und Olga Lackner die Einreichungen des Linzer Innovationspreises in einer öffentlichen Ausstellung zu präsentieren, um weitere Diskussionen anzuregen.

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