Im Herzen des traditionsreichen Arbeiterbezirks Franckviertel sollen über 400 Wohnungen durch Neubauten ersetzt werden. Hier wohnen durchwegs alte, sozialschwache und niedrig verdienende Menschen, die jetzt um ihren leistbaren Wohnraum bangen. Die GWG bezeichnete den Abriss als “bereits fix”, die Bewohner wehren sich jetzt mit einer Bürger-Initiative, die bereits über 630 Unterstützer hat. Auch die Linzer Parteien beziehen jetzt Stellung gegen den umstrittenen Abriss, für den sich u.a. seltsamerweise die Grünen stark machen. Auch die SPÖ ist für einen Neubau, die ÖVP gibt sich abwartend, während FPÖ und NEOS gegen ein “Drüberfahren” sind.
Die grüne Gemeinderätin Marie-Edwige Hartig jubelt etwas blauäugig, dass “ein Neubau der Anlage auch die Lebensqualität der MieterInnen steigern” würde. Und: “Schließlich sehen die Pläne größere Wohnungen als derzeit vor.” Auch würden die Sanierungskosten von zehn Millionen Euro “wirtschaftlich wenig Sinn machen”, so Hartig. “Völliger Unsinn”, sagt Stadtentwickler und NEOS-Gemeinderat Lorenz Potocnik dazu. “Sehr viele Bewohner sind Aktivpassbesitzer und können sich neue oder größere Wohnungen gar nicht leisten.” Zudem würde ein Neubau der acht Blöcke viermal so viel wie eine Sanierung – nämlich über 40 Millionen Euro – kosten. Hartig bleibt aber dabei: “Ein Neubau der Wohnanlage Wimhölzel-Hinterland ist auch im Sinne der BewohnerInnen die beste Lösung.”
Empfindliche Verteuerung bei Sanierung rechtlich gar nicht möglich
Aufgrund des Mietrechtsgesetzes, das besonders Wohnbauen vor dem Jahr 1945 schützt, sei eine empfindliche Mieterhöhung, wie sie die GWG behaupte, gar nicht möglich, so Potocnik: “Auf wessen Seite stehen die Grünen eigentlich? War Frau Hartig überhaupt einmal vor Ort? Offenbar nicht. Ein Abriss samt Neubau ist kein Geschäft für die Mieter, sondern nur für die GWG. Die Grünen sollten sich in solchen Fragen professionell beraten lassen, aber nicht aus der Hüfte heraus schießen. Schon gar nicht, wenn es zulasten der Ärmsten unter den Armen geht.”
FPÖ lehnt “Drüberfahren kategorisch ab”
Für die Linzer FPÖ ist klar, dass die Bewohner viel stärker in die Entscheidung einbezogen werden müssen. „Die Thesen betreffend Bausubstanz und Kosten bedürfen einer unabhängigen Prüfung, damit für die Beteiligten eine fundierte Entscheidungsgrundlage geschaffen wird. Die Erfahrung mit Bürgerbeteiligung, wie etwa im kooperativen Planungsverfahren in Ebelsberg zeigt, dass die Einbindung der betroffenen Menschen besonders bei komplexen Projekten eine gute Ausgangslage bilden kann. Es ist wichtig, den Franckviertlern die Möglichkeit zu geben, über ihre eigene Zukunft auch selbst mitzubestimmen. Ein ‚Drüberfahren‘ lehne ich kategorisch ab“, sagt der zuständige Infrastrukturstadtrat Markus Hein.
“GWG muss Karten auf den Tisch legen”
Gemeinderatskollege Manfred Grabriel ergänzt: „Viele Mieter zweifeln an der angeblich maroden Bausubstanz der abzureißenden Objekte. Zudem ist auch der Kostenvergleich zwischen Neubau und Generalsanierung für viele nicht nachvollziehbar. Die Freiheitlichen fordern deshalb die GWG auf, einen entsprechenden Nachweis über den Zustand der Bausubstanz und einen nachvollziehbaren Kostenvergleich vorzulegen. Nur wenn feststeht, dass die Neuerrichtung aus wirtschaftlichen und baulichen Gründen gerechtfertigt ist, können wir uns eine Zustimmung vorstellen”, so Gabriel. “Und das auch nur unter folgenden Auflagen: Für bisherige Mieter müssen Wohnung in vergleichbarer Größe zur Verfügung gestellt werden, wobei dadurch der bisherige Mietzins nicht erhöht werden darf. Die GWG muss beim Umzug sämtliche Tätigkeiten und Kosten – wie beispielsweise den Ab- und Aufbau von Küchen übernehmen. Es ist nun der Einsatz aller politischen Verantwortlichen notwendig, um diese Forderungen zum Schutz der Franckviertler Bürger durchzusetzen“, so Gabriel weiter.
Mieter: im Unklaren gelassen?
Besonders sauer stößt den Menschen im Franckviertel auf, dass sie bis zuletzt im Unklaren gelassen wurden. “Erst als Gerüchte aufkamen, lud die GWG zu einer Informationsveranstaltung am 02. März.” Die Mieter haben Angst, dass sie dort vor vollendete Tatsachen gestellt werden und der Abriss längst beschlossen sei. Am Ball sei jetzt vor allem Bürgermeister Klaus Luger: “Er hat noch vor kurzem unser Franckviertel gelobt und gesagt, dass hier nichts verändert werden darf”, so eine aufgebrachten ältere Bewohnerin.
-> Info kompakt: das Franckviertel
Der Stadtteil Franckviertel südöstlich des Zentrums erhielt seinen Namen vom Kaffee-Erzeuger Karl Franck, es erstreckt sich über eineinhalb Quadratkilometer, knapp 10.000 Menschen leben hier. Ende des 19. Jahrhunderts begann man hier mit dem Bau von Unterkünften für Fabriksarbeiter, später wurden auch NS-Zwangarbeiterbaracken errichtet. Zu Beginn der Industrialisierung in Linz folgten viele Unterkünfte für Arbeiter der VOEST, der Chemie Linz und der Bundesbahn.
35 und 50 Quadratmeter sind die meisten Wohnungen hier im Zentrum des Franckviertels groß. Die acht Wohnblöcke wurden Anfang der 1930er-Jahre errichtet, die Mieten bewegen sich zwischen 190 und 230 Euro (inkl. Betriebskosten), hier leben vor allem sozial Schwache und Ältere. Die GWG will die Bauten abreißen und ab 2019 durch größere Wohnungen zwischen 60 und 70 Quadratmeter ersetzen. Wohl zu Recht befürchtet wird, dass die neuen Wohnungen empfindlich teurer werden: Statt 230 Euro wird mindestens das Doppelte fällig, sorgen sich manche. Die Rechnung stimmt, wenn man die Mietpreise bei den Neubauten der nahegelegenen Grünen Mitte heranzieht. Allein ein (verpflichtender) Tiefgaragenplatz schlägt mit bis zu 70 Euro/Monat extra zu Buchen.
Link zur Bürger-Initiative: www.facebook.com/franckviertelhinterland
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