Auch wenn sich die Stadt in den letzten 20 bis 30 Jahren wirklich gemausert hat: Mut zur Hässlichkeit hatte und hat Linz schon immer. Bausünden und Must-NOT-see-Orte sind dennoch einen Besuch wert, denn erst dann schätzt man das Schöne umso mehr. Mehr Linz ohne Schnickschnack und Klischees als auf unserer Ugly Linz-Tour geht fast nicht.
Der Start erfolgt am Brückenkopf der Nibelungenbrücke. Adolf Hitler, der einige Kinder- und Jugendjahre in Linz verbrachte, hatte die Stadt neben Berlin, München, Hamburg und Nürnberg als eine der fünf „Führerstädte“ vorgesehen, das Linzer Schloss sollte abgetragen werden und einem protzigen Neubau, der „Führerpfalz“, der Hitlers Alterssitz werden sollte, weichen. An der Donau sollten weitere riesige Prachtbauten entstehen – Linz sollte ein „Deutsches Budapest“ werden.

Gebaut wurden dann kriegsbedingt lediglich die Nibelungenbrücke und die schmucklosen, monumentalen Brückenkopfgebäude im Stil des sog. „Münchner Klassizismus“, in denen das Wasserstraßenamt und das Oberfinanzpräsidium untergebracht werden sollten. Daneben war ein „Führerhotel“ geplant sowie das 18 Geschoße hohe „KdF-Hotel“, auf Höhe des Arcotels sollte eine Stahlhängebrücke errichtet werden, daneben die Generaldirektion der Hermann-Göring-Werke, anschließend die 450 Meter lange Fassade der Technischen Hochschule, die bis zu einer Granitbogenbrücke („Bismarckbrücke“) reichen sollte.

Nördlich der Donau war neben der Nibelungenbrücke das 300 Meter lange „Technische Rathaus“ inklusive 14-stöckigem Rathausturm geplant, gefolgt von einer „Gaufesthalle“ mit 30.000 Plätzen und einem Aufmarschplatz für bis zu 100.000 Menschen. Absolutes Ausrufezeichen sollte ein 160 Meter hoher Glockenturm im Bereich des heutigen Jahrmarktgeländes werden. Die Brückenkopfgebäude (1) zeigen, was Linz an Monumentalismus und Größenwahn gottseidank alles erspart geblieben ist.
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Verspätungs-Rathaus
Das Rathaus am Brückenkopf (2) wurde dann doch gebaut, allerdings über 40 Jahre später und auch nicht unwesentlich attraktiver – zumindest auf den ersten Blick: Von außen wirkt der mitten in den geschmacklosen 1980ern errichtete Bau tatsächlich wuchtig, abstoßend und kalt. Seine Schönheit erschließt sich erst auf den zweiten Blick – famos sind die grünen Innenhöfe und die großzügigen, zur Donau hin geöffneten und begrünten, gestuften Terrassen, die leider nur für „Magistratler“ zugänglich sind.

Vertane Chance
Wenig einladend ist auch die anschließende Unterführung rund um die Straßenbahnhaltestelle Rudolfstraße – einst ein Drogen- und Gewalt-Hotspot, dank Videoüberwachung kehrte aber Ruhe ein. Linz tut sich leider sehr schwer mit dem Thema Unterführungen – Wien oder München zeigen vor, dass man das Thema auch viel spannender und einladender angehen könnte.

Zwei Urfahraner Hochhäuser – Hui oder Pfui?
Weiter geht‘s durch die (nach einer Modernisierung sehr ansprechende) Lentia-Einkaufspassage (3), direkt darüber steht das 81 Meter hohe Lentia-Hochhaus (1977), das für viele immer noch als optischer Schandfleck erster Güte gilt (viele Bewohner schätzen indes die Wohnqualität). Vorbei am 2021 fertiggestellten Brucknertower (99m), an dem sich die Geister nicht minder hartknäckig scheiden (4), geht‘s hinunter zum Jahrmarktgelände: 55.000 m2 versiegelte Fläche (das entspricht sieben Fußballfeldern) in bester Lage direkt an der Donau (5), die an über 40 Wochen im Jahr außer zum Luftaufheizen nicht genutzt werden, liegen hier brach. Eine Betonwüste im allerübelsten Sinn. Das fertige Konzept zur Umgestaltung („Donauinsel“), das Grünflächen, Sitzstufen, einen Donau-Seitenarm bzw. eine Wasserbucht vorsah, wurde erst von allen Parteien euphorisch beklatscht, dann aber scheibchenweise mit parteipolitisch motivierten Argumenten wie „Technisch nicht machbar“ oder „Zu teuer“ zu Grabe getragen. Zumindest für „Gummi-Gummi“-Bewerbe von Autoposern wird der befahrbare Teil des Geländes dann und wann genutzt.

Besser schnellen Schrittes lässt man diese asphaltgewordene Scheußlichkeit hinter sich und schlendert die Donaupromenade Richtung Eisenbahnbrücke entlang. Die hier stehenden Bäume hätten vor einigen Jahren ebenfalls weichen sollen, sich an die Bäume kettende Baumretter haben aber das Allerschlimmste verhindert.
Zweigeteilt auch die Meinung beim im Zuge des Neubaus der Eisenbahnbrücke errichteten Ufergeländes mit Sitzstufen (6): Begrüßenswert die Idee eines Wasserzugangs, auf schattenspendenden Uferbewuchs hat man aber einmal mehr vergessen. Entstanden ist irgendwas zwischen gemütlich und abstoßend-steril – eine klassische Linz-Lösung halt.
Ähnlich uninspirierend gestaltet: die großzügigen, wettergeschützten Flächen unter der VOEST-Brücke (7). Auf fast zwei Fußballfelder hat sich die Fläche seit dem Bau der Bypassbrücken (2021) vergrößert. Zuvor befand sich hier die größte Asphaltstockschützen-Anlage Oberösterreichs. Im Zuge der Brückenerweiterung wurde die Fläche teilweise nun mit grobem, unbefestigten Stein ausgestaltet, sodass dort nicht mal mehr Skateboardfahren oder Ballspiele möglich sind. Andere Städte zeigen etwa mit Streetcourts oder Pumptracks vor, wie man solche wertvollen urbanen Flächen sinnvoll nutzt. Linz denkt noch nach. Die 407 Meter lange VOEST-Brücke selbst nahm optisch mit der Erweiterung der Bypassbrücken keinen Schaden. Die 1972 eröffnete Schrägseilbrücke als Teil der neuen Mühlkreisautobahn kostete damals 258 Millionen Schilling (oder 18,8 Mio. Euro).

Die folgende, sehr gelungene Neue Eisenbahnbrücke sowie die Tabakfabrik mit dem neuen Linz-Höhepunkt, dem Quadrill Tower (109 Meter). Fassade und Optik des Hochbaus machen hingegen einiges her (obwohl Hochhäuser in Linz einer traditionell gut massierten Gruppe an motivierten Verweigerern gegenübersteht).
Nicht ganz so gelungen empfinden viele die vor einigen Jahren errichtete Außenfassade des Linzer Eishallenkomplexes (8). Irgendwas zwischen Grau, Rot und Braun zieht sich da sechs Meter über dem Straßenniveau auf über 300 Meter parallel zur Donaulände dahin. „Auf den Erlebnisfaktor wurde wohltuend verzichtet“, schreibt der Linzer Architekturführer dazu. So kann man komplette Unattraktivität auch umschreiben. „Schiach“ hätte es wohl besser getroffen.

Zu den optisch wenig einladenden Linzer Hochbauten zählt ganz gewiss auch das 1971 errichtete Arcotel (9/damals Tourotel) neben dem Brucknerhaus – ein normierter Hotelkasten vom Reißbrett-Fließband. Nach Fertigstellung des benachbarten Quadrille-Hochhauses 2025 (in dem ebenfalls ein Arcotel mit 189 Zimmern einzieht) wird der alte Hotelturm an der Donau saniert, die abstoßende Fassade soll dann ein zeitgemäßes Uplifting erhalten.
Entworfen wurde das alte Arcotel übrigens vom damaligen Star-Architekten Artur Perotti (1920-1992), der auch andere (optisch ebenso endenwollend attraktive) Türme wie den „Spinatbunker“ (Krempl-Hochhaus) oder die Urfahraner Hochbauten zwischen Eisenbahn- und Nibelungenbrücke entwarf. Danke für gar nichts, Artur.
Über den mit großem Eifer zu Tode umgestalteten Pfarrplatz (10), der seit 2007 als Steinwüste mit fast keinen Sitzgelegenheiten firmiert, geht‘s über die schlummernde, aber mit Potenzial für mehr behaftete Fußgängerzone der Marienstraße entlang der großteils abstoßenden Dametzstraße (Ausnahme: der grüne Vorplatz des Nordico Museums). Die nach Süden führende, zweispurige Einbahnstraße gleicht wie ihre parallel nach Norden verlaufenden Schwester, der Dinghoferstraße, einer Innenstadtautobahn, die aufgrund ihrer schnurgeraden Streckenführung zum Gasgeben einlädt – dieser unverhohlenen Aufforderung können sich vor allem jüngere Autoposer nur schwer entziehen.
Am OK-Platz (11) hat man versucht, mit einem straßenseitigen Riegel ein Refugium mit Gastgärten und Bänken zu schaffen. Gelungen ist das in einem nur sehr überschaubaren Maß. Auf einem zwischen Asphalt und Sand wechselnden Untergrund wurden die bunten Sitzbänke direkt über die Abluftgitter der darunterliegenden Tiefgarage platziert: Das ergibt einen Erholungsfaktor mit dem niedrigmöglichsten Prädikat „Hust-hust“!

Gleich daneben: die ekelhafte, siebenstöckige Hochgarage des Passage Einkaufszentrums – ein Relikt des Automobilzeitalters mit Baujahr 1979. In den (derzeit auf Eis liegenden) Planungen für das umfassende Uplifting des Passage Centers soll der Autobunker abgetragen und einem modernen Hochbau samt 3.000m2 Dachgarten weichen.
Über die Goethekreuzung und die südliche Landstraße, die hier ohne Höhepunkte und mit immer mehr orientalischen Geschäften flairtechnisch ausblutet (auch das 2013 eröffnete Musiktheater konnte diesen Abwärtstrend nicht stoppen), wird das Auge vom 1982 eröffneten Schillerpark-Komplex (12) attackiert (1995 erfolgte der Casino-Zubau). Auch dieser zehn Stockwerke hohe Würfel im Stile des „Spätinternationalismus“ der 1970er und 80er-Jahre stammt von Artur Perotti und ist ein offizielles Linzer „Kulturdenkmal“. 2013 kaufte PlusCity-Eigentümer Ernst Kirchmayr den Komplex und wollte ihn angeblich durch einen bis zu 160 Meter hohen Neubau ersetzen, das Projekt dürfte aber gestorben sein.
Letzte Station dieser das Augenlicht beanspruchenden Tour: der Hofberg mit dem „Lichtbrunnen“, einer neun Meter hohen, mit Photovoltaik-Elementen bestückten, kühl-abstoßenden Stahl-Stele. Möglicherweise künstlerisch wertvoll, aber der einst hier stehende, kühlende Brunnen wäre wohl auch heute noch eine bessere Idee.
Der – wie es sich für diese Tour gehört – höchst unschöne Schlusspunkt: Immer wieder stolpert man über den einen oder anderen „dwello“ – 70.000 Euro teure und 310kg schwere Betonsessel, die 2022 von der Kunstuni als öffentliche Sitzgelegenheiten kreiert wurden. Auf dieser „Funktionskunst im öffentlichen Raum“ (Definiton der Stadt Linz) ist vieles möglich – außer Sitzen. Man könnte auch sagen: Die dwellos sind für‘n Arsch.
UGLY LINZ-TOUR
Distanz: 9,2km
Höhenunterschied: 12m
Terrain: 100% Asphalt,
0% Wanderwege
Die Tour zum Nachwandern auf -> bergfex.at